Einen „zwingenden Bedarf zur Erweiterung des Bezirkskrankenhauses Passau“ sieht sowohl Krankenhausdirektor Gerhard Schneider als auch Leitender Arzt Dr. Markus Wittmann, Oberarzt Dr. Stefan Wosnik, Pflegedienstleiter Jürgen Frohnmaier und die Qualitätsbeauftragte Martina Lösl. Dies betonten sie in einem Gespräch mit Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, der sich am Donnerstag vor Ort über die aktuelle Situation am BKH Passau und die Weiterentwicklung informierte.
„Die Auslastung liegt bei allen Abteilungen bei rund 100 Prozent; teilweise aber sogar bei 113 Prozent – dies war im Juli der Fall“, berichtete Martina Lösl. „Immer wieder müssen wir Passauer Bürger ins Bezirksklinikum Mainkofen verlegen, da wir hier in Passau voll belegt sind. Und wir haben Wartelisten für jede Station; sogar für die beschützte, also die geschlossene Station.“ Dies bestätigte auch Krankenhausdirektor Schneider: „Obwohl es in Passau ein Bezirkskrankenhaus gibt, werden in Mainkofen mehr Passauer Patienten behandelt als in Passau selbst, da das BKH Passau permanent voll belegt ist.“
„Auch die Übernahme von Patienten aus dem Klinikum Passau ins Bezirkskrankenhaus ist teilweise nicht möglich, da wir voll belegt sind. Diese Patienten müssen dann auch ins Bezirksklinikum Mainkofen gefahren werden“, weiß Oberarzt Dr. Wosnik aus Erfahrung. Für rund 650 Patienten jährlich, die im Klinikum Passau behandelt werden, werden die Fachärzte des Bezirksklinikums zur Konsultation, dem sogenannten ärztlichen Konsil, angefordert.
Für die Region Passau hat Dr. Wittmann aktuell einen Bedarf von 140 stationären BKH-Betten ermittelt. Derzeit gibt es in Passau 60 vollstationäre BKH-Betten sowie 20 teilstationäre Behandlungsplätze. „In Passau können wir den notwendigen regionalen Versorgungsbedarf derzeit nicht abdecken“, so Dr. Wittmann. „Die Bevölkerungsentwicklung macht es zum Beispiel auch notwendig, dass eine Geronto-Station eingerichtet wird.“ Gerontopsychiatrische Stationen sind auf die Behandlung von Menschen jenseits des 70. Lebensjahres, die an Demenz- oder depressiven Erkrankungen leiden, spezialisiert.
Der Bezirk Niederbayern plant, das Bezirkskrankenhaus (BKH) Passau in den kommenden Jahren weiter auszubauen. Eine entsprechende Entscheidung hat der Bezirksausschuss bereits im September 2016 getroffen. „Die Pläne des Bezirks Niederbayern für das BKH Passau sehen unter anderem vor, dass das BKH Passau um insgesamt 50 Planbetten in der Erwachsenenpsychiatrie erweitert wird, indem 50 Planbetten des Bezirksklinikums Mainkofen nach Passau verlagert werden. Die Erwachsenenpsychiatrie am BKH Passau soll um eine Station der Gerontopsychiatrie und um eine Station für Abhängigkeitserkrankungen ergänzt werden. Außerdem soll eine stationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie am BKH Passau entstehen“, informiert Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich. „Die hohe Auslastung des BKH Passau spricht absolut dafür, das BKH in Passau um 50 Betten im Bereich der Erwachsenenpsychiatrie zu erweitern.“
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Auch im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie soll das Angebot am BKH Passau ausgebaut und stationäre Behandlungsmöglichkeiten geschaffen werden. „Im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie verzeichnen wir ebenfalls einen sehr starken Anstieg an Patienten“, informierte Dr. Wittmann. „Hinzukommt: Kinder und Jugendliche, die psychiatrische Unterstützung und Strukturen benötigen, aber nicht entsprechend erhalten, haben im Erwachsenenalter oft eine höhere Suizidalität und benötigen im Erwachsenenalter öfter eine psychiatrische Behandlung.“ Bisher verfügt die Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am BKH Passau über eine Institutsambulanz, eine Tagesklinik mit 18 Plätzen sowie die Schule für Kranke. Bereits am 20. Oktober 2015 hatten die Bezirksräte im Bezirksausschuss eine Empfehlung für stationäre Plätze der Kinder- und Jugendpsychiatrie für den Standort Passau abgegeben. In Gesprächen mit dem Bayerischen Gesundheitsministerium lotet der Bezirk Niederbayern derzeit aus, ob 28 Planbetten am BKH Passau eingerichtet werden können.
Gründe dafür sind, so Bezirkstagspräsident Dr. Heinrich: „Die Auslastung der Kinder- und Jugendpsychiatrie am BKH Landshut ist sehr hoch. Zudem ist es aus Sicht des Bezirks Niederbayern wichtig, gerade auch für Kinder heimatnahe psychiatrische Versorgungsmöglichkeiten zu errichten. Zum Vergleich: Für den Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie werden im strukturell vergleichbaren Bezirk Oberpfalz künftig 72 Planbetten vorhanden sein. Aufgrund des hohen Bedarfs möchte der Bezirk Niederbayern für den Standort Passau 28 Planbetten, so dass analog zum Bezirk Oberpfalz auch im Bezirk Niederbayern 72 Planbetten zur Verfügung stehen würden.“ Die Kinder- und Jugendpsychiatrie am Standort Landshut verfügt ab 2017 über 44 Planbetten. In Abstimmung mit dem Bayerischen Gesundheitsministerium und mit der ärztlichen Leitung der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Landshut soll Anfang 2017 die fachlich wie wirtschaftlich sinnvolle Planbettenzahl für eine stationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie am BKH Passau abgestimmt werden.
Ambulante Dienste
Auch für die ältere Bevölkerung ist eine heimatnahe psychiatrische Versorgung sehr wichtig, betonte Pflegedienstleiter Frohnmaier. „Um das familiäre Umfeld zu entlasten, sind zum Beispiel neben einer Geronto-Station auch Tagesplätze für demenzkranke Menschen wichtig.“ Er hob dabei auch die gute Anbindung des BHK Passau an öffentliche Verkehrsmittel hervor. „Hinzukommt, dass das Personal am BKH Passau über eine sehr hohe Kompetenz verfügt.“
Dies zeigt auch die aktuelle Patientenbefragung, die am BKH Passau durchgeführt wurde: 92 Prozent der Patienten würden das BKH Passau weiterempfehlen und würden sich wieder hier behandeln lassen. „Das ist ein überdurchschnittlich guter Wert“, so die Qualitätsbeauftragte Martina Lösl. „Die exzellente Belegung des Bezirkskrankenhauses Passau, die hohe Kompetenz der Mitarbeiter, die sehr gute Patientenzufriedenheit und die gute Verkehrsanbindung sprechen ebenso für eine Erweiterung des Bezirkskrankenhauses wie die große Nachfrage aus der Region Passau“, betonte Dr. Wittmann. „Versorgungspolitisch ist eine Erweiterung zwingend notwendig.“
Dass die Nachfrage nach psychiatrischer Behandlung in der Region Passau groß ist, zeigt sich allein aufgrund der regionalen Verteilung der Patienten: Etwa 50 Prozent der Patienten am BKH Passau kommen aus dem Landkreis Passau, circa 30 Prozent aus der Stadt Passau, rund zehn Prozent aus dem Landkreis Freyung-Grafenau und fünf Prozent aus dem Landkreis Rottal-Inn. Von den bisher 60 vollstationären Betten der Fachklinik für Erwachsenenpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik befinden sich 20 auf einer beschützenden Station, 40 auf zwei offenen Stationen. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt rund 27 Tage.
Ein Bestandteil des mehrstufigen Behandlungskonzeptes in Passau ist unter anderem die Psychiatrische Institutsambulanz. Schwerpunkte der sozial-psychiatrisch orientierten Institutsambulanz sind die ambulante Diagnostik und Behandlung sowie die Krisenintervention im Sinne des Notfallmanagements bei Akuterkrankungen. Ein weiteres Spezialangebot des BKH Passau ist die Spezialstation für Doppeldiagnosen. Patienten mit Doppeldiagnosen haben eine vorliegende Suchterkrankung sowie eine weitere psychiatrische Behandlungsdiagnose wie zum Beispiel eine Depression. Diese Patienten bedürfen daher spezieller Therapieangebote. Seit 2016 gibt es zudem die Psychosomatische Tagesklinik. Dort werden Patienten zehn Therapieplätze als teilstationäre Behandlungsform angeboten. Das Angebot richtet sich an Patienten mit psychosomatischen Störungen, also körperlichen Beschwerden, bei denen die Ursache zumindest zu einem erheblichen Teil psychisch bedingt ist.
Ausbau des BKH Passau
Um sich weitere Entwicklungsmöglichkeiten am BKH Passau offen zu halten, hatte sich der Bezirk bei der Stadt Passau bereits frühzeitig ein Ankaufsrecht an unmittelbar angrenzenden Grundstücken gesichert. Wegen des Grundstückserwerbs werden noch Verhandlungen mit dem Klinikum der Stadt Passau geführt. Das entsprechende Erbbaurecht hat der Bezirk zum 1. Januar 2017 von der Postbaugenossenschaft bereits erworben. Das Erbbaurecht für diese Grundstücke endet spätestens zum 1. Januar 2021. „Wenn das Gesundheitsministerium einer Erweiterung zustimmt, kann spätestens 2021 mit dem Ausbau des Bezirksklinikums Passau begonnen werden; aufgrund des notwendigen Bedarfs gerne auch früher“, sind sich die Klinikverantwortlichen und der Bezirkstagspräsident einig.
Dezentralisierung der psychiatrischen Versorgung
Das BKH Passau ist 2013 eröffnet worden. „Mit der Errichtung des Bezirkskrankenhauses Passau wollte der Bezirk Niederbayern die Angebote im Bereich der psychiatrischen Versorgung zusätzlich zu den Standorten in Mainkofen und in Landshut auch in weiteren Regionen Niederbayerns leisten. Der Bezirk Niederbayern und der Bezirkstag erachten es als sehr wichtig, auch in diesem Bereich die medizinischen Angebote zu dezentralisieren“, betont Dr. Olaf Heinrich.
Der Bezirk Niederbayern investiert seit Jahren Beträge im mehrstelligen Millionenbereich in den Ausbau der psychiatrischen Versorgung: Das Investitionsvolumen für den Neubau des BKH Passau betrug rund 19 Millionen Euro. Aktuell werden 80 Millionen Euro in die Umstrukturierung des traditionsreichen Bezirksklinikums Mainkofen in eine moderne Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit angegliederten Kliniken für Forensik, Neurologie und Neurologischer Frührehabilitation investiert. In Landshut wird ebenfalls weiter in bauliche Maßnahmen investiert. „Der Bezirk Niederbayern unternimmt große finanzielle Anstrengungen, um die zeitgemäße psychiatrische und auch neurologische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, betont Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich. „Der Bezirk Niederbayern bekennt sich zu seinen Krankenhäusern. Wir nehmen unsere gesundheitspolitische Aufgabe – die zeitgemäße psychiatrische Versorgung der Bevölkerung – sehr ernst und stellen daher weitere Angebote zur Verfügung.“
Im Bild: Informierten Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich (Mitte) über die enorme Auslastung des Bezirkskrankenhauses Passau: Pflegedienstleiter Jürgen Frohnmaier, Krankenhausdirektor Gerhard Schneider, Qualitätsbeauftragte Martina Lösl, Leitender Arzt Dr. Markus Wittmann, Oberarzt Dr. Stefan Wosnik (v.l.n.r.)