Sprache verbindet, aber sie kann auch trennen – wenn zwei Menschen sich nicht verstehen können. Gerade in Niederbayern und in der Tschechischen Republik ist es aber enorm wichtig, dass die Menschen miteinander sprechen können. Die Wirtschaftsbeziehungen florieren, der Fachkräftemangel ist zu bewältigen und außerdem sollen Nachbarn ja diejenigen sein, die gute Beziehungen untereinander pflegen. Aus diesem Grund haben Bernd Sibler, Staatssekretär im Kultusministerium, und Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich einen deutsch-tschechischen Sprachgipfel ins Leben gerufen. Das Ziel: Die Menschen zu animieren, die andere Sprache zu erlernen, um Barrieren abzubauen. Hier soll gerade an Schulen, aber auch an Hochschulen und bei der Lehrlingsausbildung angesetzt werden. Der Gipfel fand im Grenzort Bayerisch-Eisenstein statt und bot Impulsreferate, eine Podiumsdiskussion, eine Informationslandschaft mit 25 Infoständen über grenzüberschreitende Projekte und viel Zeit, um miteinander ins Gespräch zu kommen.
Ein Wort war es, das beim Sprachgipfel oft gebraucht wurde: „Angst“. Die Angst, sich zu blamieren, wenn sich beim Sprechen einer Fremdsprache ein Grammatikfehler einschleicht oder einem ein Wort nicht einfällt. Aber auch die Angst vor der fremden Sprache. Sowohl das Deutsche als auch das Tschechische sind im jeweiligen Nachbarland verrufen, enorm schwierig zu erlernen zu sein. Mit diesen Vorurteilen räumten die Praktiker beim Sprachgipfel auf.
Einig waren sich die Akteure, dass gerade Kinder die andere Sprache leichter erlernen. Vladislava Pekárková vom Sprachkompetenzzentrum Niederösterreich erklärte daher bei der von Dr. Olaf Heinrich moderierten Podiumsdiskussion, dass viel an der Lehrkraft liege: „Sie muss die Kinder begeistern können.“ Denn eines stehe fest: „Wenn die Schüler das Wort Grammatik hören, ist es vorbei mit der Freude.“ Deshalb gelte es, den jungen Menschen die Grammatik spielerisch beizubringen, sie selbst erarbeiten zu lassen gehöre dazu. Stichwort Ängste abbauen.
Maren Hachmeister gehört zu den Menschen, die für die tschechische Sprache begeistert werden konnte. Die heute 29-Jährige war Stipendiatin und hat zwei Jahre in Tschechien studiert und wurde in verschiedenen Programmen gefördert. Heute ist sie stellvertretende Vorsitzende des Deutsch-Tschechischen Jugendforums. Was sie motiviert hat: „Die Menschen in Tschechien haben so positiv reagiert, wenn man ein paar Worte Tschechisch konnte. Deshalb habe ich immer weitergemacht.“ Dass Tschechisch so schwer sei, könne sie nicht bestätigen: „Jeder lernt anders, aber es ist durchaus gut machbar.“
Auch in Tschechien hat Deutsch den Ruf, eine schwere Sprache zu sein. „Das muss abgebaut werden“, so Kristina Larischová, Generalkonsulin der Tschechischen Republik in München. Sie hat heuer auch den Vorsitz des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds, der zum Beispiel Schüleraustausche fördert. Staatssekretär Bernd Sibler erklärte, Barrieren werden auch dort abgebaut, wo sich Menschen direkt begegnen. Er nannte hier Initiativen wie die des Bayerischen Jugendrings, der viele Programme im Bereich Freizeit, Sport und Kultur anrege: „Es tut sich viel in den informellen Bereichen.“
Das tschechische Kultusministerium hat die Sprachförderung ebenso auf dem Schirm. Dr. Petr Bannert, dortiger Abteilungsleiter, kündigte an, dass künftig mehr Geld des Staates in die Sprachenausbildung von Schulen fließe, um zum Beispiel Kurse zu verkleinern und intensiveres Lernen zu ermöglichen. Eine zweite Fremdsprache sei in Tschechien Pflicht, so habe neben dem Englischen auch das Deutsche eine Chance.
Franz-Xaver Birnbeck, Vizepräsident der IHK Niederbayern, betonte, in Sachen Zusammenarbeit von Unternehmen sei nur die Sprache unterschiedlich, die wirtschaftlichen Abläufe so gut wie gleich. Er warb als echtes Zusammenwachsen ebenfalls für den Erwerb von mehr Sprachkompetenz: „Man muss sich trauen.“ Wenn man sich nur mit Englisch verständige, könne man nicht zusammenwachsen. Er bedauerte, dass es derzeit lediglich zwölf grenzüberschreitende Ausbildungsverhältnisse bestehen: „Wir bräuchten 100. Und nur über eine wirtschaftliche Zusammenarbeit ist dem Fachkräftemangel zu begegnen.“
Dr. Christoph Israng, deutscher Botschafter in Prag, blickte zurück: In den 90er Jahren sei die Anzahl derer, die in Tschechien Deutsch lernten, zurückgegangen. Inzwischen gebe es aber wieder einen spürbaren Anstieg. Prof. Dr. Andrea Klug, Präsidentin der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden, sieht Chancen im Zusammenwachsen im Bereich von Hochschule und Forschung. An der OTH gebe es seit mehr als 20 Jahren intensive Kontakte zu Tschechien und inzwischen auch länderübergreifende Studiengänge. Die Studierenden würden durch Praktika und Auslandsaufenthalte sowie durch Sprachwettbewerbe animiert, Tschechisch zu lernen. Die Kurse an der Hochschule stehen auch Schülern offen. Damit Sprachausbildung bereits in jungen Jahren gelingen könne, würden von der OTH auch Lehrkräfte weitergebildet. Staatssekretär Bernd Sibler unterstrich, wie wichtig die Kooperation zwischen Universitäten und Hochschulbereichen sei. Als Beispiel präsentierten beim „Markt der Möglichkeiten“ auf dem Sprachgipfel verschiedene Vertreter aus der Bildungs- und Hochschullandschaft ihre Angebote, und die über 100 Besucher aus drei Ländern hatten ausgiebig die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich ist in diesem Jahr auch der Präsident der Europaregion Donau-Moldau (EDM), in der sieben Regionen aus Bayern, Österreich und Tschechien miteinander vernetzt sind. Heuer sei das EDM-Jahr der Sprachentwicklung, so Heinrich, der ein zufriedenes Fazit des Sprachgipfels ziehen konnte: „Der größte Erfolg ist, wenn sich Menschen direkt begegnen, sich kennenlernen und zusammenwachsen. Dazu wurde auf dem Sprachgipfel ein weiterer Grundstein gelegt.“
Im Bild: Diskutierten über die Verbesserung der Sprachkompetenz in Bayern und Tschechien: Von links Dr. Petr Bannert, Abteilungsleiter im tschechischen Kultusministerium, Stipendiatin Maren Hachmeister, Generalkonsulin Kristina Larischová, Moderator Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, Staatssekretär Bernd Sibler, der niederbayerische IHK-Vizepräsident Franz-Xaver Birnbeck und Vladislava Pekárková vom Sprachkompetenzzentrum in Niederösterreich.