Rinchnach. Worin unterscheiden sich ein bayerischer Krapfen und ein amerikanischer Donut? Beim Krapfen ist das Süße innen, der Donut ist innen hingegen leer, das Süße findet man außen rum. Diesen Vergleich zog Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich in Sachen Ortsentwicklung heran, als er am Dienstagabend auf Einladung des Rinchnacher CSU-Ortsverbandes zum Thema referierte.
Es sei beispielsweise ein Irrglaube, dass die Ausweisung neuer Baugebiete Geld in die kommunalen Kassen spüle. Denn die infrastrukturellen Gesamtkosten für die Gemeinde seien langfristig viel höher als die einmaligen Anschlussbeiträge der neuen Grundbesitzer. Die vom Käufer des Grundstücks bezahlten Anschlussbeiträge für Wasser und Kanal decken die Kosten für den Bau der Leitungen nicht. Damit subventioniere die Solidargemeinschaft der Bürger die Neubaugebiete über ihre Gebühren.
„Wollen und können wir uns Einfamilienhäuser in neuen, dezentralen Baugebieten noch leisten?", diese Frage müssten sich laut Heinrich Kommunalpolitiker stellen. In der Stadt Freyung, wo er seit knapp 10 Jahren Bürgermeister ist, spiele man derzeit sogar mit dem Gedanken statt Neubauzuschüssen Familien zu unterstützen, die bestehende Häuser im Ortskern kaufen und sanieren. Doch das Thema Baukultur sei noch viel umfassender. „Es gibt Gemeinden, die darauf stolz sind, dass sie in ihren Baugebieten keinerlei Vorschriften machen. Jeder kann so bauen, wie er will." Aber für das Gesamtbild eines Ortes habe dies massive Folgen. Denn während die identitätsstiftenden Gebäude mit historischem Wert in sich zusammenfallen, sprießt eine Toskana-Villa nach der anderen aus dem Boden. „Wenn im Ortskern hingegen jedes zweite Gebäude leer steht und dort nichts mehr los ist, wer kauft denn dann Ihr Haus noch?", fragte Heinrich in die Runde. „Leerstehende Gebäude bedeuten einen unmittelbaren Wertverlust für die Eigentümer der Nachbarhäuser."
Jahrzehntelang herrschte nun die Devise, möglichst große Häuser möglichst auf der grünen Wiese zu bauen, die Orte selbst hingegen bluteten zunehmend aus. Doch dieser Trend drehe sich allmählich, viele Menschen wollen keinen großen Garten mehr, den sie in ihrer knappen Freizeit pflegen sollten. „Stattdessen genießen sie die Lebensqualität, die etwa kurze Wege im Ortskern mit sich bringen, was zugleich ökologisch ist. Dies können wir für die Wiederbelebung unsere Dörfer und Städte nutzen", meinte der Referent. Der positive Nebeneffekt dabei: Wenn innerorts wieder Leben einkehrt, dann haben auch Geschäfte und Gastronomiebetriebe wieder mehr Chancen.
Gleichzeitig gebe es aber auch andere Maßnahmen, die die Kommunalpolitik vornehmen könne. Am Beispiel Freyung zeigte er auf, dass die Grundsatzentscheidung, die der Stadtrat damals einstimmig beschloss, keinen innenstadtrelevanten Einzelhandel mehr im Außenbereich zuzulassen, viel gebracht habe. Unverzichtbar für eine Kehrtwende hin zu mehr regionalem Konsum sei aber eine Bewusstseinsänderung der Bevölkerung. „Wir müssen die Menschen auf diesem Weg mitnehmen und immer wieder klarmachen, dass jeder Bürger bei all seinen täglichen Entscheidungen einen Einfluss darauf hat, wie sein Heimatort in Zukunft aussieht." Außerdem sei in einer Welt, die so globalisiert ist, der Trend zum Regionalen grundsätzlich da, man müsse ihn nur stärken. „Wenn es gute Modelle gibt und Vertrauen in die Politik vor Ort herrscht, sind auch die Bürger selbst bereit, ihr Geld wieder mehr in der Heimat zu investieren als in einem Immobilienfond in China."
Nach dem eineinhalbstündigen Vortrag, den die gut 40 Zuhörer aufmerksam verfolgten, gab es noch viele Fragen. Der CSU-Ortsvorsitzende Anton Dannerbauer etwa wollte wissen, ob es denn in Freyung bei diesem Prozess auch Rückschläge gegeben habe. „Genügend", meinte Heinrich, der nicht verhehlte, dass es einen langen Atem braucht, um manches Projekt zum Abschluss zu bringen. Ihm sei auch stets die Einigkeit im Stadtrat bei wichtigen Entscheidungen ein Anliegen gewesen. Ein Beitrag dazu ist auch die jährliche Klausurtagung des Gremiums, bei dem es neben inhaltlichen Auseinandersetzung vor allem auch um Teambildung geht. Woher man denn die Ideen hatte, wollte ein anderer Zuhörer wissen. „Wir haben uns viel angeschaut. Man muss ja das Rad nicht neu erfinden, es reicht, wenn man sich bei anderen, die es geschafft haben, orientiert." Auch der Rinchnacher Durchgangsverkehr war Thema in der Diskussionsrunde. Olaf Heinrich konnte die Hoffnung auf die Umsetzung der lang ersehnten Umgehungsstraße verstehen, „aber solche Großprojekte dauern einfach. Wichtig ist in meinen Augen, dass man nicht alle Energie auf den Wunsch nach der Umgehungsstraße projektiert, sondern die Zeit nutzt, machbare und schneller umsetzbare Impulse für den Ortskern zu erarbeiten." Dabei verwies er auf kleine innerörtliche Umgehungen, die in Freyung kurz vor Baubeginn stehen. Denn auch die Kreisstadt leidet mit rund 11.000 Fahrzeugen am Tag unter dem Verkehrsaufkommen, mit den neuen Verbindungen könne zumindest ein Teil umgelenkt werden.
Eine weitere Frage bezog sich auf den Zeitraum, den es brauchte, um Einigkeit im Stadtrat einerseits zu erzeugen und andererseits, die Bürger zum Umdenken in Sachen Konsumverhalten zu bringen. „Nach zwei Jahren hatte der Zug an Fahrt aufgenommen, nach vier Jahren rollte er dann fast von allein", so Heinrich, der dies vor allem auf eine positivere Stimmung zurückführte. „Ein Ort kann sich nur gut entwickeln, wenn wir alle möglichst wenig Energie brauchen, um uns gegenseitig zu bekämpfen.
Bildunterschrift: Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich hob in Rinchnach unter anderem den Wert historischer Bausubstanz für Städte und Gemeinden hervor.