Mainkofen. Die Zahlen sprechen für sich und den Landräten und Bürgermeistern in Niederbayern sind die Folgen des demografischen Wandels, der in manchen Teilen des Regierungsbezirks in den nächsten Jahrzehnten den Anteil der Jugendlichen um rund ein Drittel schrumpfen lassen wird, durchaus klar. Was also tun, um die jungen Menschen möglichst in der Region zu halten? Der Bezirk Niederbayern und der Bezirksjugendring haben sich des Themas angenommen und gemeinsam eine jugendpolitische Fachtagung im Festsaal des Bezirksklinikums Mainkofen abgehalten, zu der am Dienstagabend gut 40 Kommunalpolitiker und kommunale Jugendbeauftragte kamen.
Es gehe vor allem um eine „emotionale Bindung an die Heimat“, machte Bezirksrat Josef Heisl zu Beginn des Abends unter dem Titel „Jungsein in Niederbayern: Zukunft in Städten und Gemeinden gestalten“ deutlich, der als Auftakt für weitere, praxisbezogene Veranstaltungen auf regionaler Ebene dienen sollte. „Wer schon als Kind in einem Verein integriert ist, wer sich dort auch als Jugendlicher als Teil einer Gemeinschaft fühlt und wer schon in jungen Jahren die Erfahrung macht, keine Nummer zu sein, sondern ein Individuum, das mitgestalten kann – dessen Verbleib oder Rückkehr in die Heimat wird wahrscheinlicher sein.“ Kinder und Jugendliche von heute seien nicht nur die Einwohner und Einkommenssteuerzahler von morgen, sondern auch Konsumenten und Fachkräfte, so Heisl, der damit nahtlos zum ersten Referenten überleitete.
Winfried Pletzer vom Bayerischen Jugendring legte seinen Fokus darauf, wie Kommunen die Zukunft für junge Menschen in ihren Heimatgemeinden gestalten können. Er zitierte aus dem aktuellen Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, aus dem klar hervorgehe, dass der Staat eine zunehmende Verantwortung in der Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen einnehme, der die Kommunen nachkommen müssten. „Aber es geht um noch mehr: Wie sich junge Menschen integrieren, ist eine Schlüsselfrage für die Zukunft der Region und für eine funktionierende Zivilgesellschaft“, machte Pletzer klar, der an die Politiker appellierte, sich der Frage vor Ort aktiv anzunehmen, anstatt nur über Jugendliche zu reden, wenn sie Ärger machten. Was junge Menschen tatsächlich an ihrer Heimat schätzen, hatte der Referent bei einem gemeinsamen Seminar von Jugendlichen aus Bayern und Südtirol untersucht und präsentierte die Ergebnisse: „Es ist eine Mischung aus harten und weichen Faktoren wie bezahlbarer Wohnraum und gute Verkehrsanbindung, aber eben auch Zusammenhalt und aktive Beteiligung vor Ort.“ Konkret riet er zum Schluss zu vier Maßnahmen: Jugendlichen Teilhabe ermöglichen, sie durch Bildung und Arbeit befähigen, sie unterstützen und schützen (indem etwa das Angebot der Jugendämter niederschwelliger gemacht wird) sowie für Jugendliche Treffpunkte und Infrastruktur schaffen. Der stellvertretende Passauer Landrat, Klaus Jeggle, fügte dem noch hinzu: „Wir dürfen dabei nicht vergessen, auch eine positive Imagepflege für unsere Region zu betreiben.“
Christoph Schattleitner, Journalist bei Vice Austria, einem Online-Jugendmedium, brachte im Anschluss Praxisbeispiele aus der Steiermark vor. Dort hatte er ehrenamtlich viele Diskussionsrunden mit Jugendlichen zu diesem Thema veranstaltet und schlussfolgerte daraus, dass gerade Projekte für Jugendliche auch mit ihrer Beteiligung geplant werden müssen, um Erfolg zu haben. Und während es für politisches Engagement in den Städten viele unterschiedliche, anonymere Möglichkeiten gebe, seien es auf dem Land vor allem die persönlichen Kontakte, die Jugendliche in die Politik bringen. „Dazu müssen Sie aber den ersten Schritt machen und auf die Jugend zugehen.“
Dass dies oft allein nicht ausreicht, wurde in der Diskussionsrunde deutlich, in der die Bürgermeister ihre Erfahrungen etwa mit schlecht besuchten Jungbürgerversammlungen oder Umfragen mit wenig Rücklauf schilderten. Alfons Neumeier, Bürgermeister von Salching, will nun die Jugendlichen in seinem neuen Bürger- und Kulturtreff miteinbinden und Florian Gams aus Vilshofen berichtete von seinen guten Erfahrungen mit dem Jugendbeirat. „Das macht wirklich Spaß, es kommt viel raus und ich kann das nur jedem empfehlen.“
Zuletzt zogen Bezirksrat Josef Heisl, der Jugendamtsleiter des Landkreises Regen, Martin Hackl, sowie der kommunale Jugendpfleger des Landkreises Passau, Roland Meier, ihr Fazit des Abends. „Jugendarbeit steht und fällt mit den engagierten Personen vor Ort, deshalb müssen wir mit denen, die zur Ausbildung weggehen, versuchen, in Kontakt zu bleiben“, so Heisl. Auch Martin Hackl sieht die Notwendigkeit, politische Strukturen zu schaffen, um auf die Jugend aktiv zuzugehen und sie zu motivieren. Für Roland Meier ist das Hinführen der Jugend zu einer gesellschaftlichen Mitverantwortung Aufgabe der Erwachsenen, für die Politiker die Unterstützung der kommunalen Jugendpfleger vor Ort in Anspruch nehmen sollten. „Oft wird über die Jugend geredet, zu wenig aber mit ihnen“, so Meier, der hervorhob, dass sich für Gemeinden die Einstellung eines hauptamtlichen Jugendpflegers langfristig auszahle.
Lieber klein und fein planen als bei zu großen Projekten enttäuscht zu werden, war der Rat von Winfried Pletzer, „denn junge Leute sind unkalkulierbar“. Er zeigte sich begeistert vom großen Interesse der Kommunalpolitiker und ihren Ideen. Bei einer Folgeveranstaltung des Planungsverbandes Donau-Wald, die der Landkreis Straubing-Bogen organisieren wird, sollen dann konkrete Maßnahmen und Best-Practice-Beispiele im Mittelpunkt stehen.
Bildunterschrift:
Anne Waechter, Geschäftsführerin des Bezirksjugendrings (vorne v. l.), BezJR-Vorsitzender Wolfgang Grüner, die Referenten Christoph Schattleitner und Winfried Pletzer sowie (hinten v. l.) Roland Meier, kommunaler Jugendpfleger des Landkreises Passau, Martin Hackl, Jugendamtsleiter des Landkreises Regen und Bezirksrat Josef Heisl.