Die kleine Lena hat einen Traum. Sie möchte hoch hinauf. Ihre Hände an bunten Griffen, mit den Füßen Halt suchen und dann schließlich von ganz oben zu ihren Eltern hinabwinken: Die Elfjährige möchte unbedingt klettern. Dabei hat das Mädchen, das schwer gestürzt ist und mit den Folgen dieses Unglücks zu kämpfen hat, ein kleines Handicap: Einer ihrer beiden Arme ist funktionslos. Klettern wird sie trotzdem können.
Die neue Kletterhalle des Alpenvereins Deggendorf wird es möglich machen. Dort können nicht nur gesunde Menschen zeigen, was sie draufhaben, sondern auch Menschen mit Behinderung. Inklusionssport soll großgeschrieben werden, erklärt Alpenvereinsvorsitzender Erwin Schmid. Er kämpft seit 2006 für die Errichtung einer Kletterhalle in Deggendorf und hat es geschafft: In diesen Tagen wird die funkelnagelneue Einrichtung fertig. Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich und Bezirksrätin Margret Tuchen machten daher eine Stippvisite im Ortsteil Natternberg und ließen sich von Erwin Schmid die entstandene Halle zeigen.
Es riecht noch ganz neu in der Kletterhalle, doch an den bunten Griffen sind schon weiße Magnesiumspuren zu sehen und es herrscht schon reger Betrieb. Offiziell an den Start gehen wird die neue Einrichtung in wenigen Tagen, findet der Probetrieb mit Mitgliedern des Alpenvereins statt. Eine junge Frau klettert unermüdlich nach oben, gesichert mit einem Seil. Ihre Hände und Füße finden sicher Halt, und sie kommt schnell voran. „Das wichtigste ist, dass man mit den Füßen steigt und sich nicht mit den Händen nach oben zieht, sonst geht einem nach fünf Minuten die Kraft aus“, erklärte Schmid der Delegation aus dem Bezirkstag.
3,2 Millionen Euro hat die Kletterhalle gekostet. Zwölf Arbeitsplätze sind entstanden. 46 Sicherungslinien für das Seil gibt es, 92 verschiedene Kletterrouten werden angeboten. 15,50 Meter hoch ist die höchste Wand, und es wurden 7.000 Griffe verbaut, die von drei Fachkräften immer wieder neu geschraubt werden müssen. Eingeladen zum Klettern sind nicht nur die rund 3.000 Mitglieder des Alpenvereins, sondern auch externe Sportler und ganz besonders auch Behinderte. Der frühere Bergsteiger Erwin Schmid saß selber eine Zeitlang wegen seiner schweren Krankheit im Rollstuhl, die nun durch Medikamente besser im Griff ist, und weiß, wie wichtig Teilhabe für Menschen mit Behinderung ist. „Sogar Rollstuhlfahrer können klettern. Unser Angebot ist für alle Arten der Behinderung, auch psychischer Art“, erklärt der Ehrenamtliche.
Besonders zusammenarbeiten will der Alpenverein mit zwei Einrichtungen: Der Lebenshilfe und dem Bezirkskrankenhaus Mainkofen. Dies begrüßte Dr. Olaf Heinrich bei seinem Besuch sehr: „Ich bin beeindruckt vom Engagement des Alpenvereins. Damit wird ein unglaublich wichtiges Angebot für Menschen mit Behinderung geschaffen.“ Auch Bezirksrätin Tuchen zeigte sich begeistert und dankte Schmid für sein jahrelanges unermüdliches Engagement.
Der Alpenvereinsvorsitzende, der aber selbst in seiner Bergsteigerzeit kein begeisterter Kletterer war, erklärte, es sei ein unglaublich wichtiges Gefühl für einen Menschen mit Behinderung, es nach oben geschafft zu haben. Dabei gebe es Routen, bei denen die Griffe enger zusammengeschraubt sind, so dass die Strecke nach oben leichter zu bewältigen sei: „Das sieht man aber nicht. Die Menschen mit Behinderung nehmen somit wahr, sie schaffen das gleiche wie ein gesunder Kletterer. Das gibt ihnen einen richtigen Schub.“ Drei speziell geschulte Trainer stehen Menschen mit Handicap zur Verfügung. Auch Lena steht schon in den Startlöchern. Sie will ganz nach oben.
Im Bild: Alpenvereinsvorsitzender Erwin Schmid (rechts) informierte Bezirksrätin Margret Tuchen und Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich über Inklusionsklettern in der neuen Kletterhalle.