Straubing. Schon zu Zeiten, als man „Inklusion“ noch „Integration“ nannte, wurde am Institut für Hören und Sprache (IfH) in Straubing die erste offene Klasse eingeführt. Seit 1999 werden in den Grundschulklassen Kinder mit Hörbehinderung gemeinsam mit Kindern ohne Förderbedarf beschult. „Damals waren wir echte Vorreiter“, blickt Direktor Fritz Geisperger zurück. Das Schulprofil „Inklusion“, das das Bayerische Kultusministerium jährlich an besonders engagierte Schulen in dem Bereich verleiht, richtete sich früher nur an Regelschulen, die sich für Kinder mit Behinderung öffnen. Nun steht es umgekehrt auch Förderzentren offen, sich zu bewerben.
„Wir haben viel Mühe in den Antrag gesteckt“, so Geisperger, der dabei von seiner Stellvertreterin Elisabeth Simmel, Studienrätin im Förderschuldienst Andrea Bachmann und Elternbeiratsvorsitzender Michaela Zehentbauer-Hilmer tatkräftig unterstützt wurde. Die größte Herausforderung war jedoch, der Kommission die zahlreichen Einrichtungen am IfH und deren Ineinandergreifen zu demonstrieren. Denn neben der offenen Grundschulklassen (in der acht Kinder mit und vier ohne Förderbedarf unterrichtet werden) gibt es auch einen inklusiven Kindergarten und ab kommenden Jahr eine Kinderkrippe, die der Bezirk Niederbayern als Träger kürzlich auf den Weg gebracht hat. „Das inklusive und fachlich höchstkompetente Angebot strahlt aber weit über den Regierungsbezirk hinaus“, sagt Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich. Denn der Schulsprengel umfasst Niederbayern und die Oberpfalz – mit Ausnahme der Landkreise Neumarkt in der Oberpfalz und Amberg sowie der kreisfreien Stadt Amberg, da diese näher an der nächsten vergleichbaren Einrichtung in Nürnberg liegen.
Zu den insgesamt 350 Schülern in der Grund- und Mittelschule kommen 35 Schüler in der Schulvorbereitenden Einrichtung und Kindertagesstätte hinzu sowie über 500 Kinder, die über die Frühförderung und die Mobilen Dienste im Gesamtgebiet betreut werden. Dafür ist ein Personalstamm von 170 Mitarbeitern nötig. Die nächsten Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Hörbehinderung sind in München, Augsburg, Bamberg, Würzburg und Nürnberg angesiedelt. „Doch mit dem gesamten Angebot, das wir vorhalten, haben wir ein Alleinstellungsmerkmal in ganz Bayern“, so Direktor Fritz Geisperger.
Er freut sich über die Auszeichnung Schulprofil „Inklusion“, die der Schule im Oktober offiziell verliehen wird, da es ein „Symbol nach außen“ ist, wie aktiv sich das IfH bereits seit vielen Jahren des Themas annimmt. „Inklusion muss immer vom Schüler her betrachtet werden“, ist er überzeugt. „Früher gab es Befürchtungen, dass mit der Inklusion die Förderzentren irgendwann verzichtbar wären. Doch das ist nicht der Fall. Eltern wollen für ihr Kind immer die beste Schule und mit unserem Angebot aus kleinen Klassen mit viel Personal mit spezifischer Qualifikation für Kinder und Jugendliche mit Hörbehinderung bieten wir einen Mehrwert für die Kinder, da sie genauso von dem System profitieren wie ihre Klassenkameraden mit Hörbehinderung.“ Durch soziales Miteinander und gegenseitigem Voneinander-Lernen entstehe zudem eine gute Atmosphäre in der Schule, die letztlich der gesamten Schulfamilie zugutekommt. Da alle Schüler am IfH nach den Lehrplänen der Regelschulen unterrichtet werden, ist das System außerdem sehr durchlässig und ein Wechsel in weiterführende Schulen mit keinerlei Problemen verbunden.
Interview zum Thema Inklusion mit Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich
Bildunterschrift: Freuten sich über die gute Nachricht aus dem Kultusministerium (v. l.): Klassenleiterin Andrea Bachmann, Direktor Fritz Geisperger, stellvertretende Schulleiterin Elisabeth Simmel und Elternbeiratsvorsitzende Michaela Zehentbauer-Hilmer.
Foto: Manuela Lang/Bezirk Niederbayern