Von der Substitutionsambulanz bis zum Pflegeheim

Bezirks-Besuchstour bei der Caritas Rottal-Inn – Gemeinsames Ziel: Menschen, die Hilfe brauchen, unterstützen

Foto: Bezirk Niederbayern/Manuela Lang

Pfarrkirchen. Noch nicht einmal ein Jahr ist vergangen, seit es die neue Substitutionsambulanz des Caritas-Kreisverbandes Rottal-Inn in Pfarrkirchen gibt und schon ist die Zahl der Drogendelikte laut Polizei erkennbar zurückgegangen. Dies konnten die Caritas-Verantwortlichen ihren Besuchern, Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich und Bezirksrat Dr. Thomas Pröckl, neulich ganz stolz berichten. „Wir sehen es außerdem deutlich an unseren Klienten, sie sind fitter und 15 Prozent von ihnen konnten wir bereits wieder in ein Beschäftigungsverhältnis bringen“, erzählt der Leiter der Psychosozialen Beratung und Behandlung (PSBB), Lic. et Dr.  Günter Toth. Ohne Substitution wäre das nicht möglich gewesen. Substitution bedeutet, dass von Drogen (etwa Heroin) Abhängige mit medikamentösen Ersatzmitteln behandelt werden, die dann nach und nach reduziert werden bis der Behandelte im besten Fall seine Sucht besiegt hat. „Bei einem Drittel dauert das etwa ein Jahr, bei einem Drittel bis zu fünf Jahren, beim Rest ist eine lebenslange Behandlung nötig“, informierte beim Vor-Ort-Termin Dr. med. Eduard Boniakowski, der mit seiner überörtlichen Gemeinschaftspraxis mit Hauptsitz in Regensburg die Behandlung in Pfarrkirchen vornimmt. Für die Betroffenen eine enorme Erleichterung, waren dafür zuvor doch lange Wege nach München, Passau oder Regensburg nötig gewesen. Der Mediziner nutzte den Politikerbesuch auch gleich, um auf Missstände in Sachen Krankenkassenabrechnung hinzuweisen. Denn noch habe die Substitution nicht den Stellenwert als „Sicherstellungseinheit“, so dass beispielsweise im Krankheitsfall der Einsatz eines Vertretungsarztes in Pfarrkirchen, der eigentlich für Patienten in einem anderen Gebiet „eingeteilt“ ist, für die Praxis nicht abzurechnen ist.

456 Klienten werden in der PSBB derzeit betreut, 52 von ihnen werden substituiert. Mit der Kombination dieser Angebote hat man in Pfarrkirchen ein bayernweites Alleinstellungsmerkmal, das wegen der begleitenden psychosozialen Beratung für die Betroffenen sehr sinnvoll ist. „Der Staat spart sich damit langfristig enorme Kosten“, machte der Einrichtungsleiter deutlich, da nicht nur die Behandlungskosten im Gesundheitswesen, sondern auch die sozialen Kosten (Arbeitslosigkeit etc.) pro erfolgreich behandelten Patienten wegfallen.

Viel Lob gab es von Heinrich und Pröckl für den Leiter Günter Toth, der in den zweieinhalb Jahren seiner Dienstzeit, die Patientenzahlen der Einrichtung, die seit elf Jahren besteht, fast verdoppelt hat. „Wir sind sehr froh, dass das Angebot immer besser angenommen wird, denn viele Menschen brauchen Unterstützung und das manchmal auch ganz schnell“, so der Bezirkstagspräsident. Da die stationären Plätze an den Bezirkskliniken voll belegt sind, seien ambulante Beratungsangebote vor Ort umso wichtiger. Bezirksrat Thomas Pröckl zeigte sich ebenfalls sehr angetan von der Arbeit der Caritas, die als Träger dieser Einrichtung finanziell vom Bezirk Niederbayern unterstützt wird.

Kinderkrippe und Streetwork


Im Anschluss besuchten der Bezirkstagspräsident und Bezirksrat die Zwergenburg, die älteste Kinderkrippe des Landkreises, in der Leiterin Christine Erdreich mit ihrem Team mittlerweile 30 Kinder betreut. Auch die Streetwork-Einrichtung in Pfarrkirchen, die sich seit elf Jahren um junge Erwachsene zwischen 17 und 27 kümmert, gefiel Heinrich und Pröckl sehr gut. Leiter Jakob Kandlbinder erklärte, dass der Begriff „Streetwork“ eigentlich veraltet sei, denn auf der „Straße“, also im öffentlichen Raum, findet man viele Jugendliche und junge Erwachsene gar nicht mehr. Um sie zu erreichen – deshalb heißt die Einrichtung offiziell auch Aufsuchende Jugendsozialarbeit – sind Aktivitäten an verschiedenen Orten, etwa an Schulen und in den sozialen Medien nötig.

Bei der Arbeit an den Schulen steht die Prävention im Vordergrund, doch die Streetworker haben auch dann eine wichtige Funktion, wenn vieles schon im Argen liegt. „Wir haben zahlreiche junge Menschen, für die niemand zuständig ist. Manche haben keine Arbeit oder auch keine Wohnung mehr. Wir versuchen ihnen möglichst sofort zu helfen, etwa durch Fahrtkostenzuschüsse oder Geld für Essen oder Strom“, erklärt Jakob Kandlbinder. Da das „A und O“ ihrer Arbeit die Vernetzung ist, ist es von großem Vorteil, dass der Kreis-Caritasverband Rottal-Inn Träger der Einrichtung ist. Dies hob auch Bezirkstagspräsident  Olaf Heinrich hervor. „Ihre Arbeit hier vor Ort ist enorm wichtig, damit wir gesellschaftlich möglichst niemanden verlieren. Diese Investitionen werden sich langfristig enorm für die Region lohnen.“ Und auch Bezirksrat  Thomas Pröckl zeigte sich sehr angetan davon, auf welch vielfältigen Gebieten sich die Streetworker in seinem Heimatlandkreis engagieren.  

Das soziale Gesicht des Staates erhalten

„Es ist begeisternd zu sehen, wie viele Verbände in Niederbayern am Menschen arbeiten, damit das soziale Gesicht unseres Staates erhalten bleibt“, fasste es Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich beim Abschlussgespräch zusammen, das im Speisesaal des Alten- und Pflegeheim St. Vinzenz stattfand. „In einer so enorm beschleunigten Welt kann nicht jeder mit dieser Geschwindigkeit mithalten, manche brauchen Hilfe“, dankte Heinrich den Caritas-Verantwortlichen. Geschäftsführender Vorstand Eva Reiter, seit rund einem Jahr in dieser Funktion, hob hervor, dass man mit den verschiedensten Angeboten fast alle Gruppen in Notlagen abdecke (mit Ausnahme des Bereichs „Asyl“) – vom Betreuten Einzelwohnen bis zur Wohngruppe für psychisch Kranke. Da man stets mit dem Bezirk zusammenarbeite und dieses Spektrum einmal anhand von Beispielen vor Ort demonstrieren wollte, wurde die Besuchstour von der Kreis-Caritas sehr begrüßt. Gleichzeitig nutzte man die Gelegenheit, die Politiker auf einige Probleme im System hinzuweisen. „Die Bürokratie ist für uns ein Supergau“, machte der für das Alten- und Pflegeheim St. Vinzenz zuständige Vorstand, Norbert Schellmann, deutlich und beschrieb als Beispiel die regelmäßigen, unangekündigten „begleitenden Begutachtungen“ im Altenheim. Eine solche Prüfung beschäftige an diesem Tag fünf Pflegekräfte, damit dann nach bis zu zwei Monaten in einem 80-seitigen Bericht als ein „erheblicher Mangel“ vermerkt ist, dass die Pflegekraft einmal das Händewaschen vergessen hat. Dass sich über 60 Ehrenamtliche im Heim miteinbringen, immer wieder Aktionen mit Schulen, Kindergärten, der Kinderkrippe oder diverse Feste durchgeführt werden, spiele dort keine Rolle.

„Das Gute sieht oft keiner. Und wegen ein bis zwei Prozent der problematischen Einzelfälle wird ein Regelwerk erlassen, unter dem 98 Prozent leiden“, gab ihm Olaf Heinrich recht, der jedoch als Bezirkstagspräsident daran nicht direkt etwas ändern kann. Vielmehr ermunterte er die Anwesenden, sich auch in anderer Hinsicht nicht nur auf das Schlechte zu konzentrieren. „Denn wir dürfen bei all den sicher sinnvollen und nötigen Verbesserungen auch nicht vergessen, dass sich damals unsere Eltern gewünscht hätten, so zu leben“, so Heinrich, der in Freyung-Grafenau selbst Aufsichtsratsmitglied des Kreis-Caritasverbandes ist. Ob denn auch hier die Tarifbezahlung des Öffentlichen Dienstes dazu führe, dass es weniger Personalprobleme gebe, wollte er zudem wissen. Eva Reiter konnte das bestätigen, auch für die Altenpflege, doch meinte sie gerade in dem Bereich auch: „Wir sind mit einem Prozent Umsatzrendite auf Kante genäht und brauchen dafür eine 95-prozentige-Auslastung.“ Hier könnte der Bezirk durch die Erhöhung der bisherigen pauschal-gewährten Mietzuschüsse (während die realen Mietkosten gestiegen sind) dem Einrichtungsträger unter die Arme greifen. Heinrich nahm diesen Hinweis mit und versprach Rückmeldung in der Sache. Da immer mehr private Investoren auf den Altenpflegemarkt drängen, die eine viel höhere Rendite erwarten, müsse man zum Erhalt der Pflegequalität die öffentlichen Häuser konkurrenzfähig machen.

Mit einem Dank für die offenen Gespräche verabschiedete die Caritas-Vorstandschaft die beiden Bezirkspolitiker und man war sich einige über das gemeinsame Ziel: Die Leute, die Hilfe brauchen, nicht im Regen stehen lassen, sondern gemeinsam alles daran setzen, um ihnen zu helfen.

Bildunterschrift:
Substitutionsambulanz: Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich (v. l.) und Bezirksrat Dr. Thomas Pröckl mit Einrichtungsleiter Lic. et Dr. Günter Toth und den Caritas-Verantwortlichen Eva Reiter, Markus Tischler, Johann Vornehm und Norbert Schellmann vor der Substitutionsambulanz am Bahnhof in Pfarrkirchen.