Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich erfuhr wie es sich für Familie Geiss in ihrem sanierten Baudenkmal lebt
Kirchdorf im Wald. Wie lebt es sich in einem Denkmal? Ausgezeichnet. Auf die Familie Geiss in Abtschlag bei Kirchdorf im Wald trifft das im doppelten Sinne zu, denn sie leben nicht nur gerne in ihrem sanierten Waidlerhaus, sondern wurden für ihre denkmalpflegerische Leistung auch bereits mit Preisen ausgezeichnet. Im Jahr 2017 erhielten sie die Denkmalschutzmedaille des Freistaats Bayern; heuer bekommen sie den Niederbayerischen Staatspreis für Dorferneuerung und Baukultur 2021 verliehen.
Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich war deshalb sehr gespannt, als er kürzlich die Familie besuchte und eine Führung durch das Haus bekam. Steffi und Raimund Geiss waren dabei sehr offen und räumten ein, dass sie ursprünglich neben dem Haus von Steffis Großeltern einen Neubau errichten wollten. Bis sie verärgert feststellten, dass das alte Gebäude, das im Kern aus dem Jahr 1542 stammt, unter Denkmalschutz steht, weshalb ein Abriss nicht möglich gewesen wäre. Dank der guten Beratung seitens des Landratsamtes ließen sie sich gedanklich auf eine Sanierung ein. „Unsere Meinung war: Wenn die Sanierung uns nicht mehr kostet als ein Neubau, dann wagen wir es“, blickt Raimund Geiss zurück. Mit diversen Zuschüssen über das Landesamt für Denkmalpflege, den Entschädigungsfonds, das Amt für ländliche Entwicklung, den Landkreis Regen und auch den Bezirk Niederbayern gelang es, dieses Ziel einzuhalten. „Diese Finanzierungshilfen sind auch gerechtfertigt, schließlich kommt der Erhalt eines solchen Gebäudes der Gesellschaft als Ganzes zugute“, betonte Heinrich. „Die Zeugnisse der regionalen Baukultur zu erhalten, ist ein Gewinn für den Ort.“
Heute sind die beiden Eigentümer, die mit ihren beiden Söhnen Toni und Leo hier wohnen, froh, dass sie nicht neu gebaut haben. „Wir würden mit niemandem mehr tauschen wollen, das Leben in diesem Haus ist toll“, sagt Steffi Geiss. Schon von außen war der Bezirkstagspräsident begeistert von der Atmosphäre des Gebäudes, im Inneren dann erst recht. Denn neben den hochwertigen, alten Elementen wurden auch viele moderne Akzente gesetzt – eine Metalltreppe beispielsweise oder eine verglaste Galerie, die in den ehemaligen Kuhstall, der heute das Wohnzimmer ist, Licht einlässt. „Die Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz war immer konstruktiv. Freilich muss man Kompromisse machen, aber wir wollten es ohnehin geschmackvoll und mit Respekt vor der Bausubstanz gestalten, so dass diese Forderungen für uns kein Problem waren.“
Einzig die Bauzeit war länger als es bei einem Neubau gewesen wäre. „Die Zimmerer haben um jeden alten Balken gekämpft“, sagt Raimund Geiss und deutet auf die Fassade, in der die neuen Balken sich farblich deutlich von den bestehenden unterscheiden. Auch die Installation sei eine Herausforderung gewesen. Zum Glück war sein Vater Andreas Geiss sehr kreativ und fand etwa im gemauerten Kuhstall die Lösung, alte Balken als Kanalschächte für die Elektroleitungen zu verwenden. Die Steckdose ist heute dementsprechend nicht in der Wand verbaut, sondern in einem vorgelagerten Balken, der auf Metallbeinen steht. „Einfach und kreativ“, kommentierte dies Olaf Heinrich und lobte die Bauherren, die zum Zeitpunkt ihrer Sanierungsentscheidung gerade einmal Anfang 30 waren. „Das, was unsere Region über Jahrhunderte geprägt hat, ist viel zu selten erhalten geblieben. Umso wichtiger ist es heute, das noch Verbliebene zu retten. Im Gegensatz zu einem Museumsdorf aber sieht man bei einem neu sanieren Gebäude wie diesem, dass sich modernes Leben in einem Denkmal umsetzen lässt“, so Heinrich, der dabei auch auf die ökologische Notwendigkeit verwies, die Substanz von Gebäuden zu erhalten. „Die Wegwerfgesellschaft, wie wir es heute sind, schafft unser Globus einfach nicht.“
Das Blockhaus, das schon über 400 Jahre gehalten hat, wird wieder für viele Generationen hier stehen. „Das sind gute Beispiele, die Schule machen sollten“, betonte Heinrich und Familie Geiss bestätigte, dass bereits einige private Bauherren, die selbst ein Denkmal sanieren wollen, nach Abtschlag kamen, um sich ihr Haus anzusehen.
Gelernt haben der 41-jährige Bauleiter einer Baufirma und die 40-jährige Feinoptikerin jedenfalls jede Menge auf ihrer Baustelle. „Wir haben den Mörtel zum Ausfugen der Bruchsteine nach altem Rezept angemacht – ich dachte das hält nie. Aber das Zeug ist besser als alles, was man heute kaufen kann“, sagt Raimund. „Wir würden es auf alle Fälle wieder genauso machen“, resümiert Steffi Geiss.
Nur eines bedauert sie ein wenig. „Wegen der Höhenunterschiede der verschiedenen Türschwellen, kann ich mir leider keinen Staubsaugerroboter anschaffen“.