Bauen neu denken, um Orte lebenswert zu halten

„Schönberger Erklärung“ bei Symposium zu Innenentwicklung überreicht – Bayerns Bauminister Christian Bernreiter will Bundesratsinitiative prüfen

Schönberg. „Es gibt nichts Wirkungsmächtigeres als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“, ist Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich überzeugt. Das Thema „Innenentwicklung im ländlichen Raum“ ist zwar kein neues Thema, dennoch sei es angesichts steigender Baupreise und der Klimakrise aktueller denn je und damit die Diskussion darüber, „wie wir es schaffen, unsere Orte nachhaltig so zu entwickeln, dass sie auch in Zukunft noch attraktiv sind“ dringend notwendig.

Deshalb veranstaltete der Bezirk Niederbayern gemeinsam mit dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege und dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA, Landesverband Bayern e. V. am Samstag in Schönberg ein Symposium, an dem auch der Bayerische Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr, Christian Bernreiter, teilnahm. Er freute sich über die Initiative, denn „wir müssen an einem Strang ziehen“. Weder könnten die Ballungsräume noch mehr Zuzug vertragen, noch die Gemeinden ein Abwandern. Hinzukommen aus Sicht Bernreiters die Notwendigkeit, den Flächenverbrauch zu senken, innerörtliche Brachflächen zu nutzen und Baulücken zu schließen. „Das ist eine Mammutaufgabe und ich bin offen für eure Vorschläge“, so der Minister an die Runde. Unter den rund 70 Teilnehmern waren neben vielen Architekten und Städteplanern auch gut 20 Bürgermeister aus ganz Niederbayern, denen er seine Unterstützung zusagte. Nach über 32 Jahren in der Kommunalpolitik wisse er um die Notwendigkeit der kommunalen Planungshoheit und der entsprechenden Instrumente wie etwa dem Vorkaufsrecht. „Weil man vor Ort einfach besser weiß, was gut für die eigene Gemeinde ist.“ Er sei nicht für Verbote, sondern für Anreize, betonte Bernreiter. Nicht immer gelinge es, dass die Kommune ein leerstehendes Bestandsgebäude innerorts ankauft, dann dürfe man aber die Entwicklung der Gemeinde außerorts nicht abwürgen.

Nach seinen Ausführungen überreichte Olaf Heinrich dem Bauminister die „Schönberger Erklärung“, die von den Veranstaltern und Referenten des Tages unterzeichnet wurde. Darin wird eine Fokussierung auf Innenentwicklung im ländlichen Raum gefordert sowie die Betonung der Identität der Orte („Innen vor Außen“) und der Wertschätzung der Baukultur. Die Vorschläge beziehen sich einerseits auf nachhaltige und ressourcenschonende Baukultur, die Umorientierung hin zur Innenentwicklung und weniger Flächenbedarf für Bebauung und Erschließung sowie finanzielle beziehungsweise steuerliche Anreize für Bauherren, wenn Bestandsgebäude in Ortskernen saniert werden. Christian Bernreiter zeigte sich offen für diese Vorschläge, auch weil man derzeit „mitten in der Diskussion um die Neuausrichtung der Städteplanung sei.“ Er wolle bei denjenigen Punkten, die nicht in landespolitischer Verantwortung liegen, prüfen lassen, ob man diese in einer Bundesratsinitiative einbringen könne.
Dem Vortrag Bernreiters war ein Referat der Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Andrea Gebhard, vorausgegangen, die wegen einer Coronainfektion online zugeschaltet war. Sie brach eine Lanze für die „mulitfunktionelle Innenstadt“ mit gemischter Nutzung, in der eine nachhaltige Umbaukultur dem Neubau vorgezogen werde und öffentliche Räume die Lebensqualität der Bewohner steigern. Bezirksheimatpfleger Dr. Maximilian Seefelder legte den Schwerpunkt auf die Sanierung denkmalgeschützter Häuser, die als identitätsstiftende Baudenkmäler die Orte in Niederbayern maßgeblich prägen und auch für den Tourismus wertvoll seien. „Welcher Tourist besichtigt schon ein Gewerbegebiet?“, fragte er provokant und zeigte gut gelungene Instandsetzungen aus ganz Niederbayern. Da bei Sanierungen der Rohbau bereits stehe, spare man zudem viel „graue Energie“ und reduziere den CO2-Ausstoß im Vergleich zum Neubau.

Wie man es in Münsing am Starnberger See geschafft hat, unterschiedliche Wohnformen unter einem Dach zu vereinen, präsentierte der Architekt und Stadtplaner Manfred Brennecke. Denn der Wunsch der Menschen nach einem Einfamilienhaus sei im Grunde der Wunsch nach Freiheit beim Wohnen, für den es aber auch architektonische Lösungen gebe. Neben der klassischen Familie haben sich mittlerweile viele verschiedene Lebensmodelle entwickelt, während gerade im ländlichen Raum noch zu über 90 Prozent das Einfamilienhaus dominiere. „Mit Verboten erreicht man nicht viel, wir müssen emotional argumentieren und überlegen, ab wann es für Menschen interessant wird, ihr Haus zu verkaufen und in andere Wohnformen zu wechseln.“

In der Marktgemeinde Schönberg sei das geglückt, indem ein ehemaliges Hotel zum Wohnhaus mit unterschiedlich großen Einheiten umgenutzt wurde. Bürgermeister Martin Pichler erklärte den städtebaulichen Prozess und appellierte an die Zusammenarbeit von Gemeinden, etwa über die Integrierte Ländliche Entwicklung. „Weil nicht jede Kommune die nötigen Ressourcen hat.“ Auch in der abschließenden Diskussionsrunde, die vom Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, Dr. Rudolf Neumaier, moderiert wurde, wurde dies angeregt. Stadtplaner Dr. Klaus Bauer betonte dabei, dass man „den Leuten Mut machen müsse“, um Sanierungsprojekte anzugehen. Jakob Oberpriller, ebenfalls Architekt und Stadtplaner, rief dazu auf, statt baulicher Höchststandards, die vieles verteuern, auf Mindeststandards zu setzen, um Projekte schneller zu ermöglichen. Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich hob am Ende die Chancen hervor, die der anstehende Transformationsprozess mit sich bringt. „Es ist jetzt an der Zeit, darüber zu reden, was unserer Gesellschaft guttut. Wir sollten das Thema Bauen neu denken und uns gemeinsam auf den Weg machen, damit wir die Einzigartigkeit unserer niederbayerischen Ortschaften erhalten und weiterentwickeln.“ 


Im Bild:
Der Bayerische Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr, Christian Bernreiter (3. v. l.) nahm die „Schönberger Erklärung“ von Dr. Rudolf Neumaier, Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege (v. l.), Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, sowie den Architekten und Stadtplanern Manfred Brennecke und Jakob Oberpriller entgegen.

Foto: Sepp Eder