Bezirk Niederbayern installiert einen Fallmanager

Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes bedeutet einen Kraftakt für die Sozialverwaltung

Landshut. Der Bezirk Niederbayern schafft in der Sozialverwaltung die neue Stelle eines „Fallmanagers“. Dies hat der Sozialausschuss des Bezirkstages bei seiner heutigen Sitzung unter der Leitung von Bezirkstagsvizepräsident Dr. Thomas Pröckl in Landshut beschlossen. Der Hintergrund: Träger der Lebenshilfe hatten sich 2017 mit der Bitte um Einberufung eines ‚Runden Tisches‘ an den Bezirk gewandt. Dabei sollte diskutiert werden, wie man intelligenzgeminderte Kinder und Jugendliche mit psychiatrischer Diagnose und zusätzlichen massiven Verhaltensauffälligkeiten adäquater betreuen und begleiten kann. Eine Arbeitsgruppe, die unter anderem mit Vertretern der Regierung von Niederbayern, der Sozialverwaltung des Bezirks, Jugendämtern, der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Trägern der Behindertenhilfe besetzt war, kam zu dem Ergebnis, dass für solche Fälle unter anderem ein Fallmanagement eine geeignete Lösung wäre.

Das sogenannte Fallmanagement ermöglicht dem Kostenträger eine aktive Fallsteuerung. Die Fallmanagerin/der Fallmanager behält die Fäden bei der Lösung einer Problematik in der Hand und kann bei Bedarf nachsteuern. Damit kommt ihm eine Lotsenfunktion in einem komplexen Prozess mit vielen Beteiligten zu. Da Fallmanagement zeitintensiv ist, soll es nur unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden. Die Entscheidung, welcher Einzelfall aufgenommen wird, trifft die Fallmanagerin/der Fallmanager. Die Leiterin der Sozialverwaltung, Irmgard Kaltenstadler, sagte, falls sich dieses Instrument in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bewähren sollte, sei an die Ausweitung auf den Erwachsenenbereich gedacht.

Ein Umbruch in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung


Den Sozialausschuss des Bezirkstags Niederbayern beschäftigte überdies der Sachstand beim komplexen Thema Bundesteilhabegesetz (BTHG). Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) vom 23. Dezember 2016 hatte der Gesetzgeber weitreichende Änderungen der Eingliederungshilfe beschlossen, die sich direkt auf die Menschen mit Behinderungen, Leistungsträger und Leistungserbringer auswirken. Dabei handelt es sich um den größten Umbruch seit Jahrzehnten im Recht der Eingliederungshilfe.

Das Bundesteilhabegesetz zielt auf eine konsequente Ausrichtung der Eingliederungshilfe auf eine konkrete Person hin. Damit geht einher, dass sich die Assistenz am individuellen Bedarf der Person mit Behinderung und nicht an der Wohnform, in die diese lebt, orientiert. Daher konzentriert sich die Eingliederungshilfe zukünftig auf reine Fachleistungen. Aus diesem Grund müssen ab dem Jahr 2020 die sogenannten existenzsichernden Leistungen (z. B. für Wohnung, Heizung und Strom) und die Fachleistung in der jetzigen Eingliederungshilfe getrennt werden.

Die Einführung eines komplett neuen Systems mit völlig neuen Instrumentarien ist so aufwendig, dass in einem ersten Schritt zunächst Fachleistungen und existenzsichernde Leistungen durch eine Überleitungsvereinbarung voneinander getrennt werden. In einem zweiten Schritt wird in der Übergangsphase bis 31.12.2022 die Möglichkeit geschaffen, in einem stabilen Umfeld neue, stärker personenzentrierte Fachleistungen und landesweite Finanzierungssystematiken zu entwickeln, modellhaft einzuführen und zu prüfen. Gleichzeitig wurde ein Berechnungstool erarbeitet, das die kalkulatorische und verwaltungstechnische Umsetzung der Übergangsvereinbarung für alle vollstationären Eingliederungshilfeeinrichtungen in Bayern ermöglicht.

Durch diese Aufteilung von existenzsichernden Leistungen und Fachleistungen der Eingliederungshilfe entsteht für die Leistungserbringer (Träger der Wohnheime) ein erheblicher Verwaltungsmehraufwand. Für diesen Mehraufwand erhält der Leistungserbringer ab 2020 vom Bezirk Niederbayern einen Überleitungszuschlag in Höhe von 1,98 Euro pro Platz und Tag. In der Übergangsphase dürften die jährlichen Kosten für den Zuschlag rund 1,4 Millionen Euro betragen.  

Der Bezirk fördert vier Einrichtungen

Der Sozialausschuss des Bezirkstags von Niederbayern stimmte dem Raumprogramm für 24 Plätze in gemeinschaftlichen Wohnformen der Katholischen Jugendfürsorge Regensburg e. V. in Mitterfels zu. Bei diesem Projekt handelt es sich um einen Neubau für geistig und mehrfach behinderte Menschen und für Menschen mit erworbener Hirnschädigung. Die bauliche Struktur der Wohnanlage geht auf Menschen mit unterschiedlichen Handicaps ein. Die von der Regierung von Niederbayern als förderfähig festgestellten Gesamtkosten der Wohneinrichtung wurden  in Höhe von rund 4,82 Millionen Euro genehmigt. Die Förderung des Bezirks Niederbayern erfolgt in Höhe von 10 Prozent, somit 482.070 Euro.

Der Sozialausschuss genehmigte darüber hinaus den Kosten- und Finanzierungsplan für die geplante Wohneinrichtung der Lebenshilfe Regen für behinderte Menschen mit 24 Plätzen und sieben Förderstättenplätzen in Viechtach. Die Wohnplätze werden verteilt auf eine Wohnpflegegruppe mit acht Plätzen für Rollstuhlfahrer, eine Wohngruppe für Werkstattgänger mit zehn Plätzen (vier davon für Rollstuhlfahrer) sowie eine Wohngruppe mit sechs Plätzen für Menschen mit schwerster, ausschließlich körperlicher Behinderung. Die Förderung des Bezirks Niederbayern erfolgt in Höhe von zehn Prozent – 520.730 Euro für Wohn- und Wohnpflegplätze und 92.050 Euro für die Förderstätte.

Der Sozialausschuss anerkennt den Bedarf von vier weiteren Plätzen in der Förderstättengruppe der Lebenshilfe Landshut e. V. in Kelheim und stimmt einer Erhöhung von sechs auf zehn Förderstättenplätze zu.

Dem Kosten- und Finanzierungsplan für das geplante Wohnheim der Barmherzigen Brüder gemeinnützige Behindertenhilfe GmbH für autistische Menschen mit 24 Plätzen und einer Förderstätte mit 36 Plätzen in Arnstorf wurde ebenfalls zugestimmt. Die Förderung des Bezirks beträgt 536.800 Euro für das Wohnheim und 474.970 Euro für die Tagesstätte.

Im Bild die Mitglieder des Sozialausschusses. Von links Heinz Pollak, Angelika Eibl, Kai Hofmann, Anton Maller, Markus Scheuermann, Bezirkstagsvizepräsident und stv. Vorsitzender des Ausschusses Dr. Thomas Pröckl, Hannelore Langwieser, Monika Maier und die Leiterin der Sozialverwaltung, Irmgard Kaltenstadler.
Foto: Melanie Bäumel-Schachtner