Die Lücken werden größer

Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich (v. r.) mit Lisa Tiefenböck, Leiterin der Tagesstätte, Lebenshilfe-Vorsitzendem Josef Kern sowie Geschäftsführer Helmut Denk.

Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich zu Besuch bei der Lebenshilfe Grafenau

Grafenau. Die Situation in ganz Niederbayern ähnelt sich: Immer weniger Personal steht für die Betreuung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung zur Verfügung. Mancherorts spitzt sich schon jetzt die Lage so zu, dass Träger kurz vor der Schließung von Gruppen stehen. Um sich ein Bild der Lage bei der Lebenshilfe in Grafenau zu machen, Daten und Einschätzungen zu sammeln, kam Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich zu Besuch und sprach mit dem Vorsitzenden der Lebenshilfe, Josef Kern sowie Geschäftsführer Helmut Denk.
„Die Lücken werden größer“, bestätigte Denk, wobei man bei der Eingliederungshilfe personell noch recht gut aufgestellt sei. „Allerdings wechseln häufig Mitarbeiter aus der Pflege zu uns, was dort wiederum Lücken hinterlässt.“ Schwieriger sei es, Personal für die Tagesstätte und den Inklusionsdienst zu generieren. Bei Letzterem stieg die Zahl der Mitarbeiter, die Kinder in Kindergärten und Schulen begleiten, innerhalb von drei Jahren von 10 auf 30. Die Prognose der Zuständigen lautet: „Die Bedarfe werden mehr.“

Der Bedarf steigt, Personal wird weniger, kaum noch Vollzeit-Kräfte

Dem steigenden Bedarf stehen auf der anderen Seite aber weniger Mitarbeiter gegenüber, zumal viele der jüngeren Kräfte nicht mehr in Vollzeit arbeiten wollen. „Es wäre schon schwierig nur zahlenmäßig die Personen zu ersetzen, die in Rente gehen. Weil aber eine 39-Stunden-Woche für viele Arbeitnehmer nicht mehr attraktiv scheint, wird es noch schwieriger, das System am Laufen zu halten“, so Olaf Heinrich, der diese Rückmeldung von vielen Einrichtungsleitern in ganz Niederbayern bekommt.
Der Wunsch nach mehr Freizeit werde auch nach Tariferhöhungen spürbar. Als zum Juli 2022 für den Sozial- und Ersatzdienst eine außertourliche Erhöhung eingeführt wurde, konnten sich die Arbeitnehmer zwischen mehr Lohn und mehr Freizeit entscheiden. „Damit wollte man etwas Gutes tun, hat aber die ohnehin schon bestehenden Lücken noch vergrößert“, gibt Helmut Denk zu bedenken.

Tariferhöhung kostet mehr als 290.000 Euro jährlich

Die jüngst beschlossene Tariferhöhung für den Öffentlichen Dienst wird der Lebenshilfe Grafenau, die aktuell 160 Menschen beschäftigt, rund 290.000 Euro mehr im Jahr kosten. „Da ist aber nur die Einmalzahlung eingerechnet, noch nicht die 5,4 Prozent Lohnerhöhung.“ Für Niederbayern rechnet Olaf Heinrich mit einem mittleren Millionenbetrag. „Der Bezirk muss sich dieses Geld aber letztlich wieder über die Bezirksumlage von den Landkreisen holen.“
Wesentlich für ihn sei es, dass die Gesellschaft erkenne, dass es ein „Immer mehr“ nicht geben könne. „Wir haben in den letzten Jahrzehnten viel Sozialgesetzgebung vorangetrieben – mit guter Intention – und scheitern jetzt an den Möglichkeiten, das Beschlossene überhaupt noch umsetzen zu können.“ Auch Josef Kern sieht etwa das Bundesteilhabegesetz in diesem Zusammenhang. „Das ist in einer Zeit entstanden, als wir noch eine ganz andere Situation hatten.“ Die „goldenen Jahrzehnte“ seien vorbei, weshalb man sich jetzt darauf konzentrieren müsse, zu überlegen, wie man mit den zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste erreiche.

„Vom Anspruchsdenken verabschieden“

„Das heißt nicht, dass alles schlechter werden muss, nur von dem Anspruchsdenken wie heute müssen wir uns verabschieden“, so Denk, der sich wegen der Personalengpässe auch vorstellen könne, die notwendigen Qualifikationen der Mitarbeiter zu überdenken.
Ansonsten versuche die Lebenshilfe ein möglichst gutes Arbeitsklima zu schaffen, mache Angebote wie etwa ein E-Bike-Leasing und bemühe sich um jeden einzelnen Mitarbeiter.
Am Ende des Gesprächs stattete man noch der heilpädagogischen Tagesstätte einen Besuch ab. Diese ist in der Don Bosco-Schule in Grafenau untergebracht, stellt aber organisatorisch ein teilstationäres Angebot der Lebenshilfe Grafenau dar. Lisa Tiefenböck mit ihrem Team betreut dort rund 50 Kinder aus dem Altlandkreis zwischen drei und 14 Jahre, mit Ausnahmegenehmigung sogar bis 16 Jahre.


Im Bild: Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich (v. r.) mit Lisa Tiefenböck, Leiterin der Tagesstätte, Lebenshilfe-Vorsitzendem Josef Kern sowie Geschäftsführer Helmut Denk.

Foto: Lang / Bezirk Niederbayern