Die Wasserkraft wird dringend gebraucht

v.l.: Klaus Schuster, Karlheinz Roth und Dr. Olaf Heinrich

Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich besichtigt E-Werk in Spiegelau

Spiegelau. Es gibt wohl kaum ein Thema, das aktueller wäre, als der Umbau der Energieversorgung in Deutschland. Während kürzlich die letzten deutschen Atommeiler vom Netz gingen, einige alte Kohlekraftwerke wieder anliefen und alle von regenerativer Energie aus Wind und Sonne reden, spielt ein Bereich eine scheinbar untergeordnete Rolle, die aber gerade für den Bayerischen Wald wesentlich ist: die Wasserkraft.
Denn wie in Spiegelau, wo Klaus Schuster zwei Wasserkraftwerke betreibt, ist es auch entlang anderer Wasserläufe der Fall. Vor gut einem Jahr war Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich schon einmal hier. Damals ging es um die Planungen der Bundesregierung, im Zuge der neuen EEG-Richtlinie die kleine Wasserkraft faktisch zu beenden. „Das konnten wir damals zum Glück dank eines gemeinsamen Aufschreies der vorwiegend bayerischen Mandatsträger verhindern“, so Heinrich. Doch eine langfristige Entspannung sieht Klaus Schuster, der darüber hinaus Aufsichtsratsvorsitzender des Landesverbandes Bayerischer Wasserkraftwerke (LVBW) ist, dennoch nicht.
Genehmigungsverfahren bei Wasserrechtsangelegenheiten seien eine „Sache von Jahren“. „Diese Zeit haben wir aber in den aktuellen Krisenzeiten nicht“, ist Schuster überzeugt. Dass die Wasserkraft als grundlastfähige Stromversorgung dringend gebraucht wird, steht für Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich außer Frage. Er kennt die offiziellen Statistiken, die bei einer über Dunkelflaute, also eine Zeit ohne nennenswerten Wind und anhaltender Bewölkung, im Januar gerade mal einen rund 20-prozentigen Eigenversorgungsgrad in Deutschland ergeben hat. „Mit Wind- und Solar allein werden wir uns nicht versorgen können.“ Auch das Wasser sei von der Natur abhängig, räumte Schuster ein, doch „bei uns geht es nicht auf einen Schlag, sondern verläuft viel langsamer.“ Wenn weniger Wasser kommt, produziere ich natürlich weniger Strom, aber der Pegel des Baches bleibt von meiner Tätigkeit unberührt.

„Habe noch nie einen Fisch zerhäckselt“

Seitens der Fischereiverbände werden immer noch die „zerhäckselten Fische an Kraftwerken“ als Argument gegen die Wasserkraft ins Feld geführt. Anhand seines Rechens zeigte er Heinrich das Vorgehen. Über den Kanal, der aus der kleinen Ohe ausgeleitet wird, kommt das Wasser an – inklusive Blättern, Ästen und auch viel Abfall wie Zigarettenschachteln, Plastikflaschen oder gar kleinen Kätzchen, die wohl bachaufwärts ertränkt werden. Je nachdem welche Jahreszeit herrscht – im Herbst fällt mehr Laub an als im Frühjahr – wird der Rechen per Greifarm einmal oder mehrmals täglich gereinigt. „Einen Fisch hab ich noch nie rausgezogen oder gar zerhäckselt. Sobald der Greifarm langsam ins Wasser eintaucht, ist der weg und schwimmt wieder den Kanal hoch, wo er dann in den Bach zurückschwimmt“, sagt Schuster. Auch Heinrich findet die Diskussionen eher „ideologiegetrieben“ als der Realität entsprechend.
Mittlerweile verkauft Schuster seinen Strom übrigens an die rund 100 Jahre bestehende Elektrizitäts-Versorgungs-Genossenschaft Perlesreut (EVG), die wegen ihres Überschusses an regional erzeugtem Strom auch unabhängig von der Börse agieren kann. „So macht es doch Sinn“, ist Bürgermeister Karlheinz Roth überzeugt. Anstatt mit immensen Summen das Leitungsnetz im Land auf- und auszubauen, sollte man mehr in regionalen Stromquartieren denken. „Vor Ort Strom erzeugen und ihn vor Ort zur Verfügung stellen.“

Der Strom an sich mache das sowieso – erklärt Schuster. „Wenn der von meiner Leitung rausgeht und vorne am Verteiler ankommt, von dem wiederum die nächste Hausleitung abzweigt – was denken Sie, welcher Strom in dem Haus verbraucht wird?“ Tatsächlich sei der bürokratische Aufwand aber immens, so dass selbst er seine Mieter in dem Haus neben dem Kraftwerk über den üblichen Stromanbieter versorgt. „Alles andere ist praktisch unmöglich umzusetzen.“
Früher freilich, als noch sein Großvater die Rümelein-Säge betrieb, die wohl schon seit 1860 hier stand, war das anders. „Die umliegenden Häuser waren bei uns angeschlossen.“ Heute produziert Schuster alleine in dem kleinen Werk in Spiegelau 250.000 Kilowattstunden im Jahr, was dem Verbrauch von 60 Haushalten entspricht.

Freilich sei das Wohl der Fische und der Nutzen der Wasserkraft abzuwägen – auch unter der Berücksichtigung, „dass auf ein Wasserkraftwerk in Bayern 50 Fischer kommen, die im Schnitt pro Jahr 7,5 Kilogramm Fisch rausholen“, wie Schuster anmerkte. Doch die Runde war sich auch ganz unabhängig von dem Fischer-Wasserkraft-Dilemma einig: „Neue Zeiten erfordern neue Abwägungen.“
Und da man im Bayerischen Wald eben auch dank der seit vielen Jahrzehnten bestehenden kleinen Wasserkraftwerke regenerative Energie unabhängig von Wind und Sonne zur Verfügung habe, könnte daraus für die Region sogar ein Standortvorteil entstehen.


Bildunterschrift: Klaus Schuster (v. l.) präsentierte Karlheinz Roth und Dr. Olaf Heinrich das Gebäude, in dessen Inneren ein feiner Rechen das Wasser zunächst reinigt, bevor es unterirdisch in Richtung Turbine weitergeleitet wird.

Foto: Lang / Bezirk Niederbayern