Neues Leben für einen Obsthof aus dem 9. Jahrhundert

Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich (l.), Karl Hacker (m.) und Hans Göding (r.), der als Leiter des Lehr- und Beispielbetriebs in Deutenkofen einen neuen Apfelbaum im Gepäck hatte.

Karl Hacker will am Oberkanetsberg ein Kulturerbe samt altem Obstbaumbestand und ein Baudenkmal wiederbeleben

Bernried. „Wenn diese Mauern sprechen könnten“, denkt man sich beim Anblick des Weilers Oberkanetsberg, dessen Entstehung bis ins 9. Jahrhundert zurückreicht. „Es war mit das erste Rodungsgebiet des Klosters Metten. Entlang des Perlbachs entstanden 18 Höfe, auch diese beiden hier“, Karl Hacker deutet um sich, „seit 1100 Jahren waren sie bewohnt“. Und nicht nur das, hier oben wurde immer schon Obstbau betrieben, denn wie das benachbarte Lalling ist das Klima in dieser Kessellage des Tals günstig.

Nachdem der letzte Besitzer, ein Arzt aus München, den Oberkanetsberg verkaufte, wäre es dem Niedergang geweiht gewesen. „Alles verbuscht, der Hof sanierungsbedürftig.“ Der Unternehmer Karl Hacker erwarb die 12 Hektar samt der beiden Hofstellen, wovon eine bereits bis auf die Grundmauern zusammengefallen ist, die andere aber aktuell von ihm denkmalgerecht wieder hergestellt wird. Hinzukommen 230 alte Obstbäume, weitere 150  hat Hacker in Lalling gepachtet und hat heuer allein 12 Tonnen Äpfel geerntet. „Es ist eine Freude, zu sehen, dass hier alles vorbildlich bewirtschaftet wird, kein Fallobst liegt, sondern alles geerntet und weiterverarbeitet wird“, sagt Hans Göding, der Betriebsleiter des Lehr- und Beispielbetriebs des Bezirks in Deutenkofen. Er hatte Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich empfohlen, sich diese „außergewöhnliche Anlage“ einmal anzusehen.

Denn Karl Hacker investiert hier nicht nur privat, sondern erhält mit seinem Engagement um diesen historischen Ort ein großes Stück Kulturerbe Niederbayerns, eine jahrhundertealte Kulturlandschaft und ein Baudenkmal. „Die Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt läuft gut“, sagt der Unternehmer und führt durch das Haus, das in der Form 1847 gebaut wurde und nun Stück für Stück von ihm saniert wird. „Ich mag knifflige Herausforderungen“, lacht der 66-Jährige, der dank seiner unternehmerischen Kompetenz vier Firmen gründete und mit der Hacker Feinmechanik GmbH in Neuhausen bei Deggendorf 170 Mitarbeiter beschäftigt.

Doch „allzu knifflig braucht es auch nicht sein“, gibt er zu bedenken, denn aktuell wartet er seit fast vier Jahren auf die finale Anerkennung als landwirtschaftlicher Betrieb und die Baugenehmigung für den Anbau. „Ich hätte den Anbau auch genauso wie das denkmalgeschützte Haupthaus gemacht, doch die Denkmalbehörden wollten, dass es sich optisch vom alten Teil abhebt.“, was der Bauherr auch gerne umsetzt.  

Für den Betrieb des Hofes, auf dem er zur Beweidung der Obstanbauflächen Galloways einsetzt, die im Winter in einem Stall untergebracht werden müssen, sowie für die nötigen Geräte, den Verkaufsraum für Obst und die Brennerei braucht er Nebengebäude und eine Betriebsleiterwohnung. „Hier hakt es im Moment noch“, sagt Hacker, der auf die Alternative verweist, wenn nichts gemacht wird. „Man kann dieses historische Anwesen ja nicht einfach verfallen lassen.“ Er deutet auf die Ruinen des benachbarten Gebäudes, das einst dreistöckig gemauert war und mit einem Burgfried versehen wohl als strategischer Aussichtsposten mit Blick zum Bogenberg diente. Nach den Benediktinern übernahmen die Degernberger ab 1240 das Sagen hier oben, für sie war die Lage wirtschaftlich interessant. „Es ist die verträglichste Trasse über das Kalteck, um Waren in den Bayerischen Wald reinzutransportieren.“

Olaf Heinrich war nicht nur beeindruckt von der herausragenden Bedeutung dieses Ortes, sondern vor allem von dem vorbildlichen Engagement des örtlichen Unternehmers, sowohl das historische Kulturerbe zu erhalten als auch durch ökologische Bewirtschaftung in die Zukunft zu führen. Hans Göding hob den Wert der Baumpflege hervor, die hier geleistet wird. „Über den Streuobstpakt werden gerade große Summen in neue Pflanzungen gesteckt, bei denen aber wenig Aussicht auf Pflege besteht. Am Oberkanetsberg wird die wirtschaftliche Nutzung seit Jahren praktiziert und damit auch alte Obstsorten erhalten.“ Zu den 70 Bäumen, die Karl Hacker bereits selbst nachgepflanzt hat, kommt nun ein weiterer seltener Obstbaum hinzu, den Göding aus Deutenkofen mitgebracht hatte und die Vielfalt bereichert.

Dass der bei ihm in guten Händen ist, steht angesichts der gepflegten Obsthänge ringsum außer Frage. Und könnten die Mauern auf dem Oberkanetsberg tatsächlich sprechen, würden sie wohl jubeln, dass sie nach vielen Jahren der Bedeutungslosigkeit wieder die Aufmerksamkeit bekommen, die sie nach 1100 Jahren Kulturgut in Niederbayern auch verdient haben.


Im Bild: Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich (l.), Karl Hacker (m.) und Hans Göding (r.), der als Leiter des Lehr- und Beispielbetriebs in Deutenkofen einen neuen Apfelbaum im Gepäck hatte.

Foto: Lang / Bezirk Niederbayern