Streuobstwiesen als Generationenaufgabe

Bei Maria und Peter Gruber (Mitte) dürfen Bäume alt werden, auch dann haben sie noch eine wichtige Funktion. Das und vieles mehr sollen bald Kinder im Streuobstkindergarten lernen, wie der Lallinger Bürgermeister Michael Reitberger dem Bezirkstagspräsidenten Dr. Olaf Heinrich erklärte.

Bezirkstagspräsident informiert sich bei Maria und Peter Gruber in Lalling

Lalling.
Kultur umfasst mehr als nur die Hochkultur und die Künste. Auch der Erhalt und die Pflege von Kulturlandschaften fällt darunter, weshalb der Bezirk Niederbayern 2022 seinen Kulturpreis auch an die „Interessengemeinschaft (IG) biozertifiziertes Streuobst im Lallinger Winkel GbR“ verliehen hatte. Nun wollte sich Bezirkstagspräsident bei Maria und Peter Gruber, die die IG vertreten, selbst ein Bild von der kulturellen Leistung der vielen Streuobstwiesenbauern machen, wo er auch von den jüngsten Plänen vor Ort erfuhr.

„Wir müssen den Kindern von klein auf beibringen, wie die Natur funktioniert“, so Maria Gruber, die schon zahlreiche Führungen mit Kindern über ihre Streuobstwiese durchgeführt hat. „Hier machen wir meist Pause“, sagt sie unter einem rund 120 Jahre alten Apfelbaum, dessen Äste sich wie ein großer Sonnenschirm über die Wiese ausdehnen. Zwei Tage habe sie im letzten Jahr gebraucht, um ihn abzuernten. Denn Maria Gruber erntet mit der Leiter, so wie früher, als im Lallinger Winkel noch fünfmal so viele Obstbäume standen.

Was sie von den aktuellen Fördermaßnahmen beim Ankauf von Streuobstbäumen halte, wollte Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich von Maria Gruber wissen. „Wir zäumen das Pferd wieder einmal von hinten auf – wir hätten zunächst Baumwarte und -pfleger gebraucht, die sich auch fachgerecht um die Bäume kümmern.“ Denn Streuobstwiesen machen viel Arbeit. „Im Grunde sind sie wie Kinder – sie brauchen viel Pflege.“

Nebenan, in einem eingezäunten „Kindergarten“, hat sie Stecklinge veredelt und die Freude ist groß, dass fast alle der 50 kleinen Bäumchen ausgetrieben haben. Und beim Stichwort Kindergarten kommt auch der Lallinger Bürgermeister Michael Reitberger ins Schwärmen. „Wir wollen mit der Gemeinde Hunding einen gemeinsamen Streuobstkindergarten gründen – wie ein Waldkindergarten, nur eben auf der Streuobstwiese.“ Denn in der Natur könnten die Kinder vieles lernen, was sie fürs Leben brauchen.

„Der Kaiser-Wilhelm hier ist innen schon komplett hohl und trägt immer noch – der Apfelbaum lebt von der Rinde“, erklärt Peter Gruber und deutet auf den alten Stamm hinter sich. Dass Apfelbäume 150 Jahre lang Früchte tragen, sei keine Seltenheit. „Ab 50 Jahren tritt aber die Alternanz ein, dann tragen sie nur mehr alle zwei Jahre“, sagt Maria Gruber und meint, auch davon könne sich der Mensch etwas abschauen. „Wer immer am Limit ist, hält nicht lange durch.“
Den Kindern hingegen erklärt sie, dass die braune Verfärbung, wenn der Apfel aufgeschnitten ist, ein Qualitätsmerkmal sei, denn dann sind besonders viele sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, die mit dem Sauerstoff in der Luft reagieren. Sowohl Maria Gruber stammt aus einer Streuobstwiesenfamilie als auch der Bürgermeister. Und beiden ist daran gelegen, dass mit der Interessensgemeinschaft wieder eine langfristige Zukunft für den Obstanbau geschaffen wird. „Denn wir kümmern uns auch um die Vermarktung der Äpfel.“ Für Peter Gruber wäre es ein Ziel der nächsten Zeit, einen Abnehmer zu finden, der einen „Lallinger Apfelessig“ produziert.

Beim Kindergarten sind die Pläne schon recht konkret. „Wir haben bereits mit der Pädagogik-Ausbildung begonnen – mit vier Modulen, die alle Jahreszeiten abdecken“, sagt Maria Gruber.
Doch zunächst muss sie sich um den eigenen Nachwuchs kümmern. Zwischen den alten Baumriesen, die teilweise durch Sturm schwer geschädigt sind, aber immer noch vereinzelt Früchte tragen, pflanzt sie die jungen Bäume nach. „Auch, wenn ich das nicht mehr erleben werde: Es ist wichtig, jetzt zu beginnen, damit die nächste Generation etwas davon hat.“
Streuobstwiesen sind eine Generationenaufgabe – und selbstverständlich darf der ein oder andere Baum auch bleiben, wenn er keine Äpfel mehr liefert. „Der hier ist noch wichtig für die Spechte“, so Maria Gruber mit Blick auf einen blattfreien alten Baumriesen.

Olaf Heinrich zeigte sich beeindruckt von den vielfältigen Tätigkeiten, die von den Grubers und der gesamten Interessengemeinschaft erfolgen, damit diese besondere Kulturlandschaft im Lallinger Winkel, die bis ins Mittelalter zurückreicht, auch weiterhin Bestand hat. „Gerade ihre aktuellen Pläne zeigen, dass Sie nicht stehen bleiben, sondern nach neuen Wegen für die Zukunft der Streuobstwiesen suchen“, so Heinrich, der dafür der Interessensgemeinschaft viel Erfolg wünschte.
Er kündigte an, dass der Bezirksausschuss in seiner nächsten Sitzung über einen Zuschuss für die Gründung des „Streuobstwiesenkompetenzzentrums“ beraten werde. Er werde sich persönlich dafür einsetzen, dass der Bezirk einen finanziellen Beitrag leistet.

Im Bild: Bei Maria und Peter Gruber (Mitte) dürfen Bäume alt werden, auch dann haben sie noch eine wichtige Funktion. Das und vieles mehr sollen bald Kinder im Streuobstkindergarten lernen, wie der Lallinger Bürgermeister Michael Reitberger dem Bezirkstagspräsidenten Dr. Olaf Heinrich erklärte.

Foto: Lang / Bezirk Niederbayern