Von Martin Ortmeier
Erste Station: Der Schusteröderhof, 1969 Keimzelle des Freilichtmuseums Massing
Das Rottaler Stockhaus gab es nur in einer eng begrenzten Region Niederbayerns. Der Altlandkreis Eggenfelden im oberen Rottal war seine Heimat. Dieses Bauernhaus brauchte eine freistehende Hofstelle. Die Felder, Wiesen und Weiden und der zugehörige Wirtschaftswald lagen in einer Blockflur rund um den Hof. Wohnhaus, Stall, Stadel und Schupfen gruppierten sich im Viereck um einen weiten Innenhof. Etwas abgesetzt stand ein Backhaus.
Als sich deutlich abzeichnete, dass mehr und mehr dieser in traditionellem Holzblockbau errichteten Bauten abgerissen würden, um Neubauten Platz zu machen, entschlossen sich einige Bürger, wenigstens ein Haus des Typs Rottaler Stockhaus zu bewahren. In der Einöde Schusteröd bei Massing ließen sie das leerstehende und im Verfall begriffene Wohnstallhaus abtragen und wenige Jahre später am Ortsrand von Massing wiedererrichten. Dieses Haus, das der Bauer Josef Ortmayr 1770 in Schusteröd erbauen ließ, wurde 1969 zur Keimzelle des Freilichtmuseums Massing.
Der Schusteröderhof soll so erhalten bleiben, wie er 1969 im Museum geschaffen wurde. Die Ausstattung des Wohnstallhauses von Schusteröd mit den schönsten Dingen des bäuerlichen Wohnens im Rottal und der doppelte Schrot an der zum Hof blickenden Fassade, alljährlich üppig mit Geranien geschmückt, sind Denkmäler der Museumsgeschichte. Aber die Räume wurden nach und nach der Museumsentwicklung angepasst. Die wegen ihres Dekors ausgewählten Möbel in den Schlafkammern sind seit 1997 unter dem Thema „Bauernhochzeit“ neu erschlossen. In der Stube ist eine farbige Wandfassung rekonstruiert, wie sie für die Zeit um 1925 typisch war. In der Küche steht seit dieser Zeit ein gemauerter und gefliester Sparherd, der regelmäßig von den Brotbäckerinnen des Museums genutzt wird. Die Kammer der Altbäuerin erhielt 2012 einen Kachelofen Berliner Art. In der Fletzkammer informiert seit 2010 eine Ausstellung über traditionelle Vorratshaltung.
Die Eröffnung des „Niederbayerischen Bauernhofmuseums“ in Massing war ein Fest, das weit über die Region hinaus wahrgenommen wurde. Zum Festabend kam der Bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel. Das ganze Fest folgte den Gepflogenheiten der Traditionspflege: Festzug und Feldmesse, Preisgedicht, Festansprachen und Grußworte, Böllerschüsse, Volksmusik und Volkstanz. Die Besuchererfolge der ersten Jahre und die Anerkennung, die sich in Presse-, Rundfunk- und Fernsehbeiträgen äußerte, bewegten die Museumsgründer, in ihrer Leidenschaft fortzufahren. Vier Gebäude aus vier Landkreisen wurden binnen weniger Jahre zum Heilmeierhof komponiert. Das namensgebende Haupthaus ist reich mit Zimmermannsmalerei geschmückt – dieses Haus aus dem Landkreis Dingolfing wollte man sich nicht entgehen lassen.
Beim Heilmeierhof-Eröffnungsfest am Wochenende des 19. und 20. Juli 1975 bot das Museum alles an Erfahrung und Kontakten auf, welche es sich erworben hatte: Treffen der niederbayerischen Heimat- und Archivpfleger, offenes Treffen von Volkgesangs- und Musikgruppen, altbäuerliche Dreschvorführung, Rottaler Heimatstunde, Darbietungen der Trachtenvereine mit Volkstanz, außerdem einen Festzug durch den Markt zum Heilmeierhof. Beim Festabend fungierten als Sprecher renommierte Vertreter der Volksmusik: Wugg Retzer für Niederbayern, Wastl Fanderl für Oberbayern und Peppi Stiegler für Oberösterreich.
Im Jahr der Eröffnung des Heilmeierhofs erzielte das Museum sein höchstes Besucheraufkommen mit 42.302 Gästen. Mehrmals näherte sich das Museum dieser Marke, zuletzt 2018 mit 36.658 Besucher, aber der Erfolg des konkurrenzlosen Jahres 1975 wurde nie wieder ganz erreicht. In der Summe der 50 Jahre sind es weit mehr als 1 Million Besucher, die den Weg nach Massing wegen des Freilichtmuseums gefunden haben.
Aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des Freilichtmuseums Massing findet am Sonntag, 23. Juni 2019 ein Festtag mit buntem Rahmenprogramm statt, der um 10 Uhr mit einer Feldmesse beginnt.
Im Bild: Eröffnungsfeier am 22. Juni 1969: Dem als Rottaler Vierseithof konzipierten Schusteröderhof fehlt noch der Wagenschupfen mit Getreidekasten an seiner vierten Seite.
Foto: Otto Hofmeister, Archiv Freilichtmuseum Massing