Vilsbiburg. Zu erfahren, wo der Schuh drückt, war das Anliegen von Bezirkstagsvizepräsident Dr. Thomas Pröckl und Bezirksrätin Monika Maier, als sie kürzlich die Lebenshilfe-Werkstätte in Vilsbiburg besuchten. Aus ihrer Sicht sei es wichtig, vor Ort über das ein oder andere Problem zu sprechen, was die Geschäftsführerin der Lebenshilfe Landshut, Dr. Hannelore Omari sehr begrüßte. Sie freute sich über das Interesse und betonte: „Wir wollen den Kontakt und ein gutes Verhältnis.“ Schließlich ziehe man an einem Strang, wenn es um die Belange von Menschen mit Behinderung gehe.
Die Landshuter Werkstätten GmbH ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Lebenshilfe Landshut e. V. Sie betreibt neun Werkstätten an acht Standorten. Rechnet man alle weiteren Einrichtungen der Lebenshilfe Landshut etwa für Frühförderung, Kindergärten, Schule, Wohnheime etc. hinzu, komme man auf 47 Einrichtungen mit rund 900 hauptamtlichen Mitarbeitern, so Omari. Man habe immer schon Wert auf kleine, dezentrale Einheiten gelegt, da diese der Inklusion gerechter werden – im Zuge des Bundesteilhabegesetzes werde dies nun weiter vorangetrieben. Aber die neuen Gesetzesvorgaben bringen auch jede Menge Mehrarbeit für die Lebenshilfe mit sich. Da die Mittel für Existenzsicherung (vom Bund bezahlt) und der Eingliederungshilfe (kommunaler Träger) künftig getrennt berechnet werden, müssen beispielsweise bis April alle über 200 Verträge mit den Bewohnern stationärer Einrichtungen erneuert werden.
Über den Alltag in der Vilsbiburger Werkstätte berichtete Zweigstellenleiter Martin Huber. Auch wenn der Mensch hier im Mittelpunkt stehe, so müsse die Werkstätte dennoch wirtschaftlich arbeiten und mit ihren Produkten die Auftraggeber zufrieden stellen. In Vilsbiburg arbeiten 123 Mitarbeiter in der Werkstätte und zwölf Mitarbeiter in der Förderstätte. Insgesamt arbeiten in der Landshuter Werkstätten GmbH circa 880 Werkstattmitarbeiter und 320 hauptamtliche Mitarbeiter, die nach Tarif bezahlt werden. Von den acht Millionen Umsatz, die alle Werkstätten im Jahr erwirtschaften, müssten jedoch auch Maschinenanschaffungen finanziert werden. Da ist es gut, wenn man treue Geschäftskunden hat, die durch langfristige Aufträge Sicherheit bieten – so etwa die Firma Mann und Hummel, für die man eigenständig Dichtringe für die Automobilindustrie herstellt, wie der Bereichsleiter Werkstätten, Uwe Heilmann, erklärte.
Da die Abwicklung solcher Großaufträge viel betriebswirtschaftliches Know-how erfordert, braucht die Lebenshilfe auch in der Hinsicht Fachpersonal – Heilmann und Huber sind gelernte Wirtschafts- und Maschinenbauingenieure. Dass die Lebenshilfe diese alltäglichen Herausforderungen sowohl ökonomisch als auch menschlich so gut meistert, entlockte dem Bezirkstagsvizepräsidenten ein „großes Kompliment“. Die beiden Bezirksräte wollten darüber hinaus auch noch erfahren, wie das Projekt „BÜWA“, also der begleitete Übergang von der Werkstätte in den allgemeinen Arbeitsmarkt, angenommen werde. „Früher hatten wir fünf Teilnehmer, heute nur noch einen“, gab Hannelore Omari Auskunft. „Insgesamt konnten zwei in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung dauerhaft vermittelt werden.“ Der Grund sei, dass die Teilnehmer zwar in der Werkstatt zu den Stärkeren gehören, draußen jedoch die Erfahrung machen, dass sie die Schwächsten sind. „Sie wollen dann doch lieber in die Werkstätte zurück, weil sie sich hier besser aufgehoben fühlen.“ Christina Zahlfleisch, die Vorsitzende des Werkstattbeirates, die auch an dem Gespräch teilnahm, bestätigte das: „Hier fühle ich mich wohl und kann immer zum Chef, wenn ich Probleme hab. Ich brauche halt einfach jemanden, der mir den Rücken stärkt.“ Besser angenommen werden hingegen die Außenarbeitsplätze der Werkstätte in Betrieben. „Aber diese Teilnehmer sind weiterhin Werkstattgänger und bekommen auch ihr Gehalt von uns.“ Dauerhafte Integration in einen Betrieb setze ein hohes Maß an menschlicher Bereitschaft im gesamten Team voraus, so Omari.
Weit erfolgreicher als ein „Immer-Zusammensein“ sei aus ihrer Sicht ein „Sich-Begegnen“. In Landshut betreibt die Lebenshilfe das Café am Dom mit 14 Arbeitsplätzen. „Die Bevölkerung nimmt das hervorragend an und empfindet es als Bereicherung. Das ist Inklusion.“
Ein Stück weit gehe das Thema auch an der Realität vorbei, da insgesamt die Werkstattgänger schwächer seien als früher. „Die Menschen werden älter, wir haben durch die Pränataldiagnostik weniger genetisch bedingte Behinderungen, dafür aber mehr andere Behindertenarten.“ Damit meint sie einerseits Frühgeburten mit schweren Behinderungen, andererseits auch Menschen mit psychisch-seelischer Beeinträchtigung. „Die Werkstätten werden sich deshalb in ihrer Leistungsfähigkeit nicht weiter nach oben entwickeln können. Die Frage ist: Wie organisieren wir uns in Zukunft.“
Zum Schluss wurden Dr. Thomas Pröckl und Monika Maier noch durch die gesamte Werkstätte geführt, wo sie sich sowohl mit Gruppenleitern als auch Mitarbeitern unterhalten konnten. Emmi Strohhofer ist seit Anfang an dabei und leitet schon 16 Jahre die Wäscherei. 2,5 Tonnen Wäsche werden dort täglich gereinigt. Über die verantwortungsvolle Tätigkeit in der Metallbauabteilung berichtete Herbert Naderer. „All die Teile werden in einen Lkw-Motor eingebaut, da muss alles 100 Prozent passen.“ Beeindruckt von all den Eindrücken wurden die Besucher verabschiedet, mit dem Wunsch, solche Treffen regelmäßig zu wiederholen.
Im Bild: Bezirkstagsvizepräsident Dr. Thomas Pröckl und Bezirksrätin Monika Maier (3. und 4. v. l.) wurden von Bereichsleiter Werkstätten, Uwe Heilmann (v. l.), Gruppenleiter Herbert Naderer, Lebenshilfe-Geschäftsführerin Dr. Hannelore Omari, Zweigstellenleiter Martin Huber sowie Christina Zahlfleisch, die Vorsitzende des Werkstattbeirates, durch die Werkstätte geführt.