Ateliers in Niederbayern am 18. Oktober 2020
Etwa 130.000 bildende Künstler gibt es in Deutschland. Ihren Traum, von ihrer Kunst angemessen und würdevoll leben zu können, können nur wenige verwirklichen – die Corona-Pandemie hat die Lage nicht gerade verbessert. Notgedrungen sind sie also auch Lebenskünstler oder verdienen ihr Geld mit einem Zweitberuf, um ihr Grundeinkommen zu sichern. Berufsverbände schaffen etwas Abhilfe und bemühen sich um Wettbewerbsausschreibungen, Kunst am Bau, Zugang zu sozialer Sicherung, Ausstellungsmöglichkeiten und -vergütungen. Kommunen setzen auf öffentliche Ankäufe, Kunstvereine, Museen und Galerien bieten Ausstellungsmöglichkeiten.
Der Bezirk Niederbayern bringt mit dem Aktionstag „Ateliers in Niederbayern“ regelmäßig Künstler und Bevölkerung zusammen und spürt der Frage nach, wie und wo bildende Kunst eigentlich entsteht: Bei einem Tag der offenen Tür laden jeweils zwischen 160 und 180 Ateliers aus der Region zum Besuch ein – eine Zahl, die für eine ansehnliche Künstlerdichte in Niederbayern spricht. Spannend ist es, dabei ganz unterschiedliche Werkräume zu sehen: Ein ausgebauter Stadel, ein ehemaliger Supermarkt, der heimische Küchentisch oder die Kellerwerkstatt – sie alle können Atelier sein. Darin eröffnen sich neue Welten: Neben auch dem Laien bekannten Arbeitsbereichen wie Malerei, Bildhauerei oder Zeichnung präsentieren sich auch digitale Kunst, Glasobjekte, Installationen, Textilobjekte, Video- und Recyclingkunst. Wer genau wissen möchte, wie eigentlich eine Bronzeskulptur entsteht oder Gold- und Silberobjekte geformt werden, kann seinen Fragen im persönlichen Gespräch mit den Künstlern nachgehen. Sie erklären Ideen, Werkstoffe und Arbeitsgerätschaften und veranschaulichen den Entstehungsprozess ihrer Werke mithilfe von Skizzen und Entwürfen.
Wer nun unter dem Sinn und Zweck eines solchen Tags der offenen Tür lediglich ein unterhaltsames Programm mit bunten Bildern versteht, irrt gewaltig. Denn Bildende Kunst erfüllt einen äußerst sinnvollen gesellschaftlichen Zweck: Sie bildet mündige Bürger aus. Kunst muss nämlich nicht schön sein. Sie lädt vielmehr zur Meinungsbildung ein. Da zeitgenössische Kunst nicht der Allgemeingültigkeit verpflichtet ist, sondern sich gerne eine subjektive Perspektive erlaubt, die irritierend oder provokant sein kann, lädt sie den Betrachter dazu ein, sich selbst zu positionieren – ethisch wie ästhetisch, inhaltlich wie politisch. Darauf darf man sich getrost einlassen und das eigene Kunstverständnis erweitern. Vielleicht fesselt einen dabei ein Werk so sehr, dass man sich für einen Kauf entscheidet – der Künstler wird danken, und das Werk kann lange nachwirken. Eine gute Gelegenheit, sich bildende Kunst in und aus der Nähe anzusehen, bietet der nächste Aktionstag „Ateliers in Niederbayern“ am Sonntag, 18. Oktober 2020, von 13 bis 18 Uhr in 176 niederbayerischen Künstlerwerkstatten.
Neu beim Projekt, das heuer bereits zum zwölften Mal stattfindet, ist ein spezielles inklusives Angebot: 51 Ateliers bieten blinden wie sehenden Menschen die Möglichkeit, Kunstwerke zu ertasten und damit auch haptisch zu erfassen. 50 Ateliers haben einen barrierefreien Zugang und sind damit für Menschen im Rollstuhl erreichbar. Zudem ist das Betreten eines Künstlerateliers für jeden ein Angebot an alle Sinne – Kunst wird nicht allein als Erlebnis für die Augen präsentiert, sondern die Materialien lassen sich bisweilen ertasten, riechen und sogar hören!
Auf der Projekthomepage www.ateliers-in-niederbayern.de kann man den 176 beteiligten Ateliers online schon vorab einen Besuch abstatten und einen Vorgeschmack auf den Aktionstag erhalten. Ein Faltblatt mit einem Überblick über alle teilnehmenden Künstler kann kostenfrei angefordert werden beim Bezirk Niederbayern/Kulturreferat, Tel. 0871 97512-730, kultur@bezirk-niederbayern.de. Der Aktionstag wird vom Bezirk Niederbayern/Kulturreferat in Zusammenarbeit mit BBK Niederbayern e.V. und BBK Niederbayern-Oberpfalz e.V. veranstaltet.
Foto: Bezirk Niederbayern/Bäter